Azubimarketing Studie 2016 - Interview mit Felicia Ullrich

Felicia Ullrich

Felicia Ullrich beschäftigt sich seit 15 Jahren intensiv mit den Themen Azubi-Marketing und Azubi-Recruiting und verlegt zusammen mit Herrn Professor Beck die Studie „Azubi-Recruiting Trends 2016“. Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre arbeitete sie im Marketing der Coca-Cola GmbH und der Deutschen Bank, bevor sie 1998 in die Geschäftsführung des U-Form-Verlags wechselte. 2007 gründete sie die u-Form Testsysteme - einen Anbieter für innovative E-Recruiting Lösungen in der Ausbildung. Seit dem begleitet Felicia Ullrich Unternehmen aller Größen und Branchen bei der Einführung eines modernen Azubi-Recruitings und hält bundesweit Vorträge und Workshops zum Thema Azubi-Recruiting und Marketing.

Kennengelernt habe ich Felicia Ullrich auf dem Future Recruiting Camp 2013. Das ist schon ne ganze Weile her. Seit dem will ich immer wieder über die sehr spannende Doppelperspectiven Studie berichten und habe es nie so richtig geschafft. Dies soll sich bereits in diesem Jahr ändern und sobald die Studienergebnisse verfügbar sind, auch eine Fortsetzung erfahren. Azubimarketing und auch -recruiting begleiten mich ebenfalls seit ein paar Jahren. Auch meine letzten Voith Aktionen (der Voith Wimmelbus und auch das Recruiting über MineCraft) haben sich genau diesem Thema gewidmet. Ich freue mich daher sehr, dass Felicia sich für das Interview Zeit genommen hat.

Vor wenigen Tagen erst startete eure Online Umfrage zum Thema Azubimarketing und -recruiting. Zum wievielten Mal führt ihr diese Umfrage durch und was war der Grund, ausgerechnet auf das Thema Ausbildung zu gehen?


Es ist die siebte Umfrage und die vierte doppelperspektivische Studie. Nun, das Thema Ausbildung bedingt sich durch das, was wir tun. Angefangen haben wir 2008 mit der Studie. Das war die Zeit, wo E-Recruiting ein großes Thema war, wir im Bereich der Ausbildung allerdings sehr viel Zurückhaltung erlebt haben. Daher wollten wir wissen: Was sind die Ängste und Sorgen, aber auch die Wünsche der Ausbilder in Bezug auf das Thema Azubiauswahl und E-Recruiting?
Auf der Zukunft Personal haben wir dann die ersten Ergebnisse vorgestellt. Zeitgleich stellte Monster seine Recruiting-Studie vor. Bei Monster nutzten damals 90 Prozent der Befragten E-Recruiting-Lösungen, in unserer Studie waren es 10 Prozent.
2013 – der Fachkräftemangel hatte in den gewerblichen Berufen erste deutliche Spuren hinterlassen – haben wir dann angefangen, sowohl die Bewerber und Azubis als auch die Ausbildungsverantwortlichen zu befragen. Damit führen wir die größte doppelperspektivische Studie in Deutschland zu diesem Thema durch.


Wenn wir auf die vergangenen Umfragen blicken - gab es Dinge oder Ergebnisse, die dich besonders überrascht haben?


Ja, jedes Jahr war mindestens ein Ergebnis dabei, das wir so nicht erwartet hätten. Angefangen hat es 2013 mit der Frage, welche Kanäle die Bewerber und Azubis zur Suche besonders gerne nutzen. Es war der große Social Recruiting- und Facebook-Hype, und wir wollten wissen: Ist es wirklich der neue Kanal oder doch nur ein Hype? Facebook landete damals auf Platz 14 – nur noch negativ getoppt durch den „Girls und Boys Day“. In der 2014er Studie wussten wir dann auch warum: Facebook hatte für die Jugendlichen nichts mit Berufsorientierung zu tun, war ihnen zu persönlich und zu unseriös.
2015 hat uns die bisher sehr geringe Akzeptanz der Zielgruppe von Mobile Recruiting überrascht. Unsere ansonsten so digitale Zielgruppe schätzt bei Bewerbungen noch immer die gute alte Bewerbungsmappe. Nur 18 % der Befragten konnten sich Mobile Recruiting gut vorstellen. Ebenfalls sehr überraschend war die Antwort auf die Frage, welche Angebote Ausbildung besonders attraktiv machen. Absoluter Spitzenreiter mit 93,4 % war die Antwort „Zusatzqualifikationen während der Ausbildung“. Welche – das erfahren wir hoffentlich in der 2016er Studie, in der wir genauer nachfragen.
Gerade als Mutter hat mich die Frage nach der Unterstützung durch die Eltern sehr berührt. Da gibt es einerseits Jugendliche, die sehr stark bei den Entscheidungen und der Bewerbung unterstützt werden. Denen steht mehr als ein Viertel von Jugendlichen gegenüber, die bei der Entscheidung für die Berufsausbildung und der Bewerbung wenig oder keine Unterstützung erhält. Diese Jugendlichen fallen noch viel zu häufig durch unser Raster, und das sollten und können wir uns zukünftig einfach nicht mehr erlauben. Das ist auch einer der Gründe, warum wir seit diesem Jahr mit der Studie Initiativen wie ROCK YOUR LIFE oder „Joblinge“ unterstützen.


Diese Erkenntnisse stehen teilweise ja im Widerspruch zum Verhalten einiger Unternehmen. Wie erklärst du dir das?


Ich glaube, das hat viele Gründe. So richtig ist die Problematik des Fachkräftemangels bei vielen noch nicht angekommen, sodass auch noch kein richtiges Umdenken stattgefunden hat. Das eigene Verhalten zu ändern oder anzupassen ist sicherlich immer ein schwieriger Prozess. Dann kommuniziere ich mit einer Zielgruppe, die ja oftmals viel jünger ist als ich und ganz andere Werte und Wünsche hat. Das macht für viele Unternehmen die Kommunikation auch nicht gerade einfacher.
Über 80 Prozent der Ausbildung findet in kleinen und mittelständischen Unternehmen statt. Viele Ausbilder machen den Job der Ausbildung nebenbei. Oft fehlt es an Zeit und Budget, um für die Zielgruppe attraktive Maßnahmen umzusetzen oder sich Gedanken über neue Wege des Recruitings zu machen. Ich spüre da auch in meinen Vorträgen oft Unsicherheit – ist das jetzt ein Hype oder ein wirklicher Trend? Immer neue Azubi-Jobbörsen sprießen aus dem Boden bzw. dem Internet – welche machen Sinn und muss ich die nutzen? Das Beispiel der E-Recruiting Lösungen zeigt es ja sehr gut: Einerseits bieten die Systeme sicherlich Vorteile, andererseits wünscht sich die Zielgruppe noch die klassische Papierbewerbung. Was tun?

Wenn wir mal zwei bis drei Jahre in die Zukunft schauen, wo werden deiner Meinung nach die Schwerpunkte im Azubimarketing liegen?


Ich glaube, in der Ausbildung werden die Uhren nach wie vor etwas langsamer ticken als im Recruiting der High-Potentials. Wobei in drei Jahren der Rückgang der Bewerberzahlen in immer mehr Unternehmen schmerzhaft zu spüren seien wird. Ich hoffe sehr, dass wir in drei Jahren weiter sind, was eine attraktive und zielgruppengerechte Ansprache der Zielgruppe angeht. Weg vom „Was will ich und was fordere ich“ hin zu einem „Was kann ich Dir bieten und was wünsche ich mir von Dir“. Ich würde mir auch wünschen, dass die Zielgruppe selber und die dazu gehörigen Eltern verstehen, dass ein Studium nicht der einzige Weg einer erfolgreichen beruflichen Karriere ist, sondern die duale Ausbildung sehr gute Chancen bietet. Und ich hoffe, dass mehr Unternehmen, aber auch mehr Anbieter von HR-Lösungen verstehen, dass Schulabgänger eine eigene Zielgruppe sind, die Lösungen braucht, die zu ihnen und ihren Bedürfnissen passt, und die nicht nur einen Abklatsch der Lösungen für Fach- und Führungskräfte bekommt. Schön wäre auch, wenn das Thema duale Berufsausbildung an sich an Wichtigkeit gewinnen würde. Denn nur mit Häuptlingen lässt sich kein Unternehmen führen – die Indianer sind mindestens genauso wichtig. Das wären meine Wünsche – ob es so kommt, wird sich zeigen.

Vielen Dank Felicia! Ich wünsche dir und deiner Familie ein frohes Fest und einen guten Rutsch ins neue Jahr!