Top 5 Auswahlkriterien für Bewerbermanagementsysteme - wenn man Kandidaten fragen würde

Bewerbermanagementsysteme

Die Auswahl von sogenannten Bewerbermanagementsystemen erfolgt heutzutage viel zu oft anhand sehr technischer nach innen gerichteter Punkte, die meist weitestgehend von der IT gesteuert werden. Kompatibilität spielt natürlich immer eine große Rolle. Aber häufig auch das Prinzip der geringen Vielfalt. Man versucht verständlicher Weise, die Anzahl an Softwareanbietern so gering wie möglich zu halten. Die nächste Auswahlrunde wird dann meist anhand der Bedienfreundlichkeit und der Fähigkeit des Systems, den unternehmenseigenen Recruitingprozess abzubilden, ausgerichtet. Ebenfalls eine sehr verständliche Perspektive. Folgt man diesen Schritten bzw. diesem Einkaufsprozess, so wird man schnell bei einem lokalen Optimum landen. Natürlich optimiert man sich auf diese Art und Weise, allerdings ohne Einbeziehung der Bewerber bzw. Kandidaten.

Ist eine solche Optmierung heute noch angemessen? Kann ich ein BMS ohne Berücksichtigung der Candidate Experience auswählen? Ich lasse diese Frage mal hier im Raum stehen, denn die Beantwortung ist nicht trivial. Vermutlich werden sich die Geister an genau dieser Frage scheiden. Als Unternehmen müssen man auf eine gewisse Wirtschaftlichkeit achten und gleichzeitig können wir es uns eigentlich nicht mehr leisten, Bewerber abzuschrecken.

Aus diesem Grunde habe ich mir mal zu den generellen Anfoderungen, die bei Pitches auf dem Tisch liegen, 5 Themen ausgeguckt, die von Bewerberseite als Kriterium in den Ring kämen, wenn man die mal befragen würde. Natürlich sind dies meine Vermutungen, die keinen Anspruch auf belegte Richtigkeit erheben, aber auf den Erfahrungen meines erst kürzlich veröffentlichten Buches "Erfolgsfaktor Candidate Experience" beruhen. Steigen wir mal ein:

Das Frontend sollte im Minimum eine Highend Ausführung darstellen und das Backend sollte sich dem unterordnen

Dies ist keine explizite Forderung, die Sie je von einem Bewerber hören werden. Er/Sie wird grundsätzlich eh alle Funktionalitäten Ihrer Karriereseite zuschreiben ganz gleich, ob es sich um Ihr CMS handelt oder um das BMS. Aus Ihrer Perspktive sollte es aber sehr wohl eine Rolle spielen, wie stark das Frontend Ihres BMS ist. Mit Frontend ist in diesem Zusammenhang der Teil des Systems gemeint, der für den Bewerber in verschiedenen Stufen des Bewerbungsprozesses sichtbar wird - und damit ist insbesondere nicht nur das Bewerbungsformular gemeint. Die Zeiten, in denen BMS im Frontend lediglich die Stellenbörse und das Bewerbungsformular bereitstellen, haben wir längst hinter uns gelassen. Sowohl für Bewerber als auch für Personaler muss das Frontend einige weiter Funktionalitäten bereit halten. So ist z.B. die Fähigkeit Besucher-/ Bewerbernutzungsdaten zu erheben, für den HR Bereich besonders interessant. Hierbei gibt es aber, auch ein paar Fallstricke zu beachten. Allerdings ist dies nur ein Aspekt von vielen. Blicke ich zurück und betrachte die BMS, mit denen ich mich bis dato intensiv beschäftigen durfte, so fällt auf, dass diese die Gewichtung zwischen Frontend und Backend ganz unterschiedlich handhaben. Bislang war keins in beidem Top. Die einen hatten den Fokus auf dem Frontend - die anderen eher auf dem Backend. Die Frage wird sein, wie lange wir uns noch BMS leisten können, die ein schwaches Frontend haben. Denn wenn vorn nichts rein kommt, kann das Backend noch so toll für den Personaler optimiert sein.

Gestaffelte Prozesse

Warum ein Unternehmen für eine erste grobe Einschätzung des Bewerbers die vollständigen Bewerbungsunterlagen benötigt, ist selbst mir nach knapp 10 Jahren HR noch schleierhaft. Warum zudem der entscheidende Faktor, der Cultural Fit, bei einer Einstellung bei vielen Unternehmen erst zum Schluss geprüft wird, wirkt zusätzlich verwirrend. Lernt man doch, alle Dealbreaker gleich zu Beginn zu prüfen. Um diese Anforderung überhaupt umsetzen zu können, sollte ein BMS sinnvoller Weise einen Prozess vorsehen, in dem ein Bewerber seine Bewerbung schrittweise vervollständigen kann, während der Prozess bereits fortschreitet. Ebenso sollte im Schritt zuvor die Stellenanzeige ebenfalls gestaffelt sein. Dem Bewerber die richtigen Informationen zur richtigen Zeit zu geben, sollte das Ziel sein. Welche Information benötigt der Bewerber tatsächlich im ersten Schritt, um sich für das Weiterlesen zu entscheiden. Ein standardisierte Unternehmensbeschreibung ist es nicht. Ein Google Mitarbeiter hatte es kürzlich in einem Vortrag auf den Punkt gebracht: "Needs are bigger than brands."

Hohe Format Kompatibilität

Xing und LinkedIn Integrationen im Sinne der Übernahme der Bewerberdaten ins Bewerbungsformular sind mittlerweile Standard. Facebook findet man hier und da auch immer mal wieder als Auswahlmöglichkeit. Auch Parser sind mir schon einige unter gekommen. Viele erachten dies noch als "Nice to have" dabei handelt es sich um ganz klare "Must-have's". Ein System, welches nicht zumindest die soeben aufgezählten Standards aufweist, sollte aus dem Rennen fliegen. Für Bewerber ist es nicht mehr verständlich, warum Dinge, die an nahezu allen Stellen im Internet funktionieren und Standard sind, auf Karriereseiten plötzlich fehlen.

Eine mitdenkende Jobbörse

Jeder Onlineshop schafft es. Mir vorab Produkte zu empfehlen, die erstaunlich häufig zumindest meinen Geschmack treffen. So schwer kann das also nicht sein. Zugegeben, die Datenbasis mag profunder sein. Und dennoch, eigentlich müssten wir doch zumindest mal ähnliche Jobprofile derart gruppieren können, dass dem Bewerber, sobald er einen passenden Job gefunden hat, weitere ähnliche Jobs angeboten werden. Die nächste Stufe wäre meiner Meinung nach ein grundsätzliches Umdenken. Jobs müssen viel stärker wie Produkte gedacht werden und der Prozess sollte sich umkehren. Nicht Bewerber finden Jobs, sondern Jobs finden Kandidaten. Den Bewerbungsprozess zum Erlebnis machen, sollte darüber hinaus die Vision sein. Dabei müssen wir uns nachfolgendes bewusst machen. Je länger der Bewerber auf der Seite bleibt, desto eher kann ich ihm einen Job verkaufen. Vielleicht eröffnen sich auch Cross Selling Möglichkeiten. Hinzu kommt, dass ich den Bewerber so früh wie möglich identifizieren will. Je eher ich weiß, wer er/ sie ist, desto eher kann ich das Angebot direkt auf den Bewerber zuschneiden und auf seine Bedürfnisse eingehen.

Live Chat

Heutzutage sind BMS alles andere als bedienerfreundlich für Bewerber. Das ändert sich hoffentlich in den kommenden Jahren. Bis es soweit ist, wäre es überaus sinnvoll einen Live Chat für Fragen zu haben. Während ich mich bewerbe, also mitten im Prozess stecke, wäre ein Direktkontakt sehr hilfreich. Zum einen natürlich, um den technischen Herausforderungen zu begegnen, aber auch um Fragen zur Bewerbung loswerden zu können. Dies kann natürlich kombiniert werden, mit einer sehr frühen Abfrage der personenbezogenen Daten, die uns dann wiederum helfen, das ganze Thema stärker zu individualisieren. Aber warum nur auf den Bewerbungsprozess beschränken. Eine Live Chat Möglichkeit direkt auf der Karriereseite kann unter Umständen bereits vorab falsche Vorstellungen korrigieren.

Wie eingangs geschrieben, habe ich hier natürlich viel interpretiert. Ob das den Nerv der Bewerber bzw. deren Geschmack trifft, kann ich Ihnen nicht zu 100% sagen. Ich vermute es lediglich und bei dem einen oder anderen Punkt denke ich, dass auch Bewerber erst beim Nutzen den Mehrwert erkennen werden. Aber wenn Sie sich mal wahrhaftig in die Lage der Bewerber versetzen, dann wird Ihnen doch auch plötzlich egal, ob das Einkaufstool des Unternehmens vom selben Hersteller programmiert wurde wie das Bewerbermanagementsystem. Die Medaille hat zwei Seiten und sich alleinig auf den Wunsch der Bewerber einzustellen, macht sicherlich auch keinen Sinn. Trotzdem leben uns der Vertrieb und das Marketing doch genau die richtigen Dinge vor, die ihre Zielgruppen meist aus dem FF kennen. Insgesamt könnte ich ein Overall TOP 0 bestimmen, der lautet: mehr Individualisierung.