TikTok - wer klopf da an die Recruiting Tür?

TikTok - die Hype App

Und plötzlich war es da - haben wir ja gar nicht kommen sehen usw. Seit dem t3n über TikTok vor zwei Wochen berichtet hat, ist es in aller Munde und die ersten Vermutungen über die Nutzung in der Bewerberansprache werden gestreut. Stefan Scheller hat in seinem Beitrag schon mal ein bisschen mit den Fakten aufgeräumt und vor allem, dass diese Entwicklung, in die Jugendliche vor knapp 3 Jahren eingestiegen sind, nun langsam zum Mainstream wird. TikTok selbst ist zwar erst im Sommer so richtig präsent in Deutschland geworden, aber der Vorgänger Musical.ly funktionierte ebenso und folgte den gleichen Gesetzen. Hier nun meine Weiterführung der Betrachtung von TikTok im Zusammenhang mit der Rekrutierung.

Netzwerk oder Messenger

Wie immer, wenn man über ein Medium oder einen Kanal rekrutieren möchte, muss man sich etwas tiefergehender mit dem Objekt der Wahl beschäftigen. Was an Musical.ly und auch an TikTok extrem überrascht, ist, dass beide recht einfach gestrickte Soziale Netzwerke sind. Trotz des extremen Messenger Hypes, den die gesamte Welt in den vergangenen 5 Jahren erlebte, konnten sich diese beiden Netzwerke trotzt eines sehr klassischem Aufbau durchsetzen. Ganz gleich wo man auch hinsieht, sprießen in der Regel nur Messenger aus dem Boden. Snapchat, WhatsApp, Facebook Messenger, WeChat, Line, Threema, Telegram, Viber - die Welt wird von Messengern seit Jahren beherrscht und vor allem dominieren sie die Kommunikation. Es ist wirklich erstaunlich, dass sich ein klassisches Netzwerk hier seinen Weg bahnen konnte - allein diese Tatsache spricht Bände und weist auf irgendeine andere Form von Neuerung, die nicht technisch zu sein scheint.

Die Memes halten Einzug

Im Grunde sehen wir es bereits seit mehreren Jahren. Die Memes halten immer stärkeren Einzug in unsere Kommunikation. Was in der Allgemeinheit mit dem Harlem Shake began und sich über die IceBucket Challenge fortsetze, manifestierte sich dann schleichend in der alltäglichen Kommunikation. Der DAB wird wie selbstverständlich verwendet und selbst die Waterbottle Challenge wird im Alltag referenziert. Die Kommunikation verändert sich in eine beinahe urzeitliche Richtung. Das Sprechen in Bildern wird wieder salon fähig. Musical.ly hat eben dies erkannt und die Plattform genau hierfür ausgelegt. Es geht um Tanzsequenzen, Challenges und andere Formen von Memes. Durch diverse Funktionen, von denen wir uns ein paar nachfolgend noch ansehen werden, wird die Kommunikation grenz- und damit sprachübergreifend gefördert.

Der Alltag in TikTok
Der Alltag erhält Einzug in TikTok

Memes je Zielgruppe

Was viele nicht glauben, aber letztlich sich immer wieder bewahrheitet, ist, dass Zielgruppen ihre eigenen kleinen Memes haben. Wir sprachen eben über die großen Memes, die alle mitbekommen haben, auf die alle aufspringen. Betrachten wir die aktuelle Welt, so zählen zu den großen Memes die Shuffle Dance Challenge oder auch die Didi Dance Challenge. Aber es existieren weitere Formen von Memes wie beispielsweise IT bezogenen Memes, die oftmals auch nur von der jeweiligen Zielgruppe verstanden werden. Geht man auf den Ursprung des Begriffes zurück, so wurde dieser wohl in einer Publikation von Richard Dawkins geboren, der mit diesem Begriff die Verbreitung kultureller Informationen beschreiben wollte. Etwas sehr ähnliches geschieht hier auch.
Die Duett Funktion (über wiegend im Einsatz bei Memes, die von einer gemeinsamen Darstellung leben) sowie die Reaktion Funktion (die bereits etliche sehr kreative Einsätze Zutage befördert hat), die zunehmend häufiger verwendet werden, demonstrieren die Kommunikation in Memes. Es ist schon beeindruckend, wie das Netzwerk diese Form der Kulturkreis und Sprach übergreifenden Kommunikation initialisiert und mit steigendem Zuspruch befeuert.

TikTok Duett
Ein Beispiel für ein Duett

Der Sprung zur Rekrutierung ist nicht mehr weit

Bevor wir springen, sollte man sich die Inhalte nochmals genau ansehen und realisieren, was dort geschieht. TikTok ist im Alltag angekommen. Videos über Mathehausaufgaben werden ebenso tausendfach geliket wie die Variationen der verschiedenen zielgruppenspezifischen Memes. Es ist der Alltag der Zielgruppe, der sich hier im Netzwerk widerspiegelt. Ähnliches kennen wir im Grunde noch von den Anfängen von Twitter und Facebook. Waren wir zu Beginn noch extrem gespannt, was dort alles abgehen würde, waren wir beinahe enttäuscht, als es doch „nur“ der Alltag der Menschen war. Das spannende heute ist allerdings die Mechanik der Memes. Einer stößt ein Meme an und tausende kopieren es. Dieser Prozess wird von TikTok unterstützt und gefördert. Nun haben wir Memes, die nur bestimmte Zielgruppen ansprechen und nur von diesen kopiert werden. Für uns als Rekrutier bedeutet dies, dass Informationsträger existieren, die auf Grund des Contents nur gewisse Zielgruppen treffen. Auch nichts Neues werden Sie sagen. Was wäre nun aber, wenn man diese Verbreitung per Knopfdruck visualisieren und sofort die Teilnehmer eines Memes identifizieren könnte? Das Meme an sich eignet sich nicht so sehr als Filter, da es stets interpretiert wird und auch teilweise mit unterschiedlichen Hashtags in verschiedenen Sprachen versehen wird. Was aber allen TikTok Videos gemein ist, ist der hinterlegte Sound (Lieder, Filmsequenzen, etc.). Ganz gleich um welche Art von Content es sich handelt, die Nutzer haben in den vergangenen drei Jahren gelernt, dass Musik bzw. Sound das verbindende Element ist. Und genau an dieser Stelle hat TikTok eine sehr spannende Funktion eingeführt, die einfach nur logisch ist, wenn man den Gedanken der Kommunikation in Memes weiter spinnt.

Nach dem Hashtag kommt der Sound und damit der Zugang

Twitter hatte diese Form des Denken initialisiert: Hashtags als Themen Orientierung für Surfer im Social Web. Auf Instagram wurde es nochmals deutlicher, vor allem nach der Einführung der Option, dass man Hashtags wie natürlichen Personen folgen konnte/ kann. In der Welt der online Social Media Kommunikation ein mehr als logischer Schritt. Es sind eben nicht nur die Menschen, die uns interessieren, sondern auch die Themen. Nun kommt TikTok mit einer neuen Form der Meme Kommunikation und was liegt da näher als, die Möglichkeit nach Memes zu filtern. Nach der Personenorientierung (z.B. Facebook) kam die Themen Orientierung (#Tags). Nun folgt die Meme Orientierung. TikTok gewährleistet diese Filterung aktuell über den Sound der hinterlegt wird und zeigt auf jedem Video einen Filterbutton, der zu weiteren Videos zum selben Sound („Meme“) führt. Finden Sie also ein Meme, welches lediglich Ihre präferierte Zielgruppe verwendet, haben Sie hier einen Button, der nach diesem Meme das Netzwerk filtern kann.

TikTok Meme Filter
Der "Meme" Filter

Und das scheint wirklich Special zu sein

Was TikTok zudem auszeichnet (und auch den Vorgänger zuvor), ist eine ganz neue Variante von Viralität. Selbst Nutzer mit nur wenigen tatsächlichen Follower schaffen mit Leichtigkeit mehrere Tausend Likes auf ihre Videos zu zaubern. Der Dreh über die Meme Kommunikation scheint hier den Ausschlag zu geben. Ich dreh ein Meme und betrachte all die anderen Videos über den besagten Filter, die sich diesem Meme zuordnen lassen und honoriere ihre Interpretationen des Memes mit einem Like. Was bei Twitter nur mühsam herbei geführt werden kann und meist schon an der Sprachbarriere scheitert, scheinen die Nutzer auf TikTok im Vorbeigehen zu realisieren.

Im Vorbeigehen rekrutieren?

Ganz so einfach ist es nicht. Um zu verstehen, welches Meme zu welchen Zielgruppen gehören, braucht man vertieftes Zielgruppen Verständnis und genau hier hapert es schon seit Jahren in unserer Zunft. Dieses Verständnis benötigen wir für jede Form der Rekrutierung und überraschender Weise auch hier. Zudem sind natürlich nicht alle Zielgruppen auf TikTok aktiv. Dieses Thema habe ich mit fast allen Netzwerken und ja, leider muss ich mich von der eierlegenden Netzwerk-Wollmilchsau verabschieden. Zuletzt sollte ich aber dennoch nicht glauben, dass TikTok ein reines Schülernetzwerk ist. Andere Zielgruppen sind hier sehr wohl auch schon aktiv - anders als damals bei Snapchat, bei dem ältere Zielgruppen sehr lange gebraucht haben, um nachzuziehen, scheint dies hier etwas zügiger vonstatten zu gehen. Hier bin ich selbst auf die ersten Studienergebnisse im kommenden Jahr gespannt.

Fazit

Wer das Netzwerk verstanden hat und auch wie die Zielgruppen hier agieren, findet in TikTok meiner Meinung nach ein ungeheures Potential und eine grenzüberschreitende Reichweite, die so leicht auf anderen Netzwerken nicht darstellbar ist. Das Recruiter nun zukünftig lernen müssten zu tanzen, halte ich für nicht ganz abwegig, würde aber als alleinige Maßnahme dem Netzwerk überhaupt nicht gerecht werden. Hier geht weitaus mehr und vor allem weitaus pfiffiger.