Recruiting 2014

Recruiting 2014 Hamburg

Es waren nur quasi wenige Stunden, die ich in meiner Heimatstadt verbringen durfte, aber die haben sich gelohnt. Klar, es sind nicht immer alle Vorträge interessant und schon gar nicht für jeden, aber Jo Diercks hatte diesmal echte Hidden Champions im Gepäck und damit meine ich nicht die Unternehmen, die vorgestellt wurden. Beim Wetter hat er sich leider keine ganz so große Mühe gegeben. Das war im vergangenen Jahr besser. Alles andere - aber das ist meine persönliche Meinung - hatte eine Verbesserung erfahren.

Den Start machte Mr. Recrutainment natürlich persönlich. Der Verweis auf die Demographie blieb nicht aus und ebenso der Hinweis darauf, dass dieses Thema nicht unwichtiger wird oder gar verschwindet, nur weil man viel drüber spricht. Weiter ging es mit den Unternehmen der Zukunft und die Arbeit 2025 (siehe saatkorn) in seiner kurzweiligen Einleitung.
Arbeiten in der Zukunft wird eine stärkere Mischung aus Beschäftigungsverhältnissen haben. Der Klassiker der festen Anstellung wird nur noch eines von vielen Modellen sein; ganz meiner Meinung. Schließlich wies er darauf hin, dass "in Engpassmärkten die passenden zu finden" nicht heißen kann, alle Hürden herunter zu reißen - es meint nicht mehr und nicht weniger, als genau die richtigen zu finden. Damit wurde zur ersten Präsentation übergeleitet.

Diese überraschte auch direkt. Bei dem Titel "Männer in die Kitas" von Ralf Lange und Cornelia Heider-Winter musste ich erst mal an meine Zivi Zeit denken, als ich in einer Kita (Schmuddelkinder in Hamburg, Schanze) beschäftigt war. Männer gab's dort kaum welche, naja außer den Zivis. Der Beitrag brachte ein paar spannende Einblicke in die Kampagne "MEHR Männer in Kitas". Sehr interessant, mal eine Kampagne aus einer anderen Ecke zusehen - also nicht aus der "Mehr Frauen in MINT" Ecke. Ziel der Bemühungen ist es langfristig auf 20% Männer im Berufsfeld Erzieher zu kommen – aktuell liegt der HH-Schnitt bei 10% und der bundesweit Schnitt bei 3%. Zudem möchte man das Berufsbild an sich aufwerten, was zu gelingen scheint.
Was mir grundsätzlich an Vorträgen gefällt, ist, wenn Charts zum Leben erwachen. Erzieher Spyro sprang quasi als lebendes Testimonial direkt vom Chart und unterstützte als Co Referent. Live berichtete er von seinen Beweggründen und seiner persönlichen Motivation, Erzieher zu werden. Er war selbst einer der ersten Kampagnenerfolge.
Insgesamt kann man wahrlich von einem Erfolg sprechen, da bereits im ersten Ausbildungsjahr ein Anstieg von 73% an männlichen Azubis zu verzeichnen war.
Spyro überzeugte übrigens als authentisches Testimonial auch das Auditorium und der eine oder andere mag sich über einen Quereinstieg im Nachgang informiert haben.
Der Vortrag hatte ein wesentlich neues Element, nämlich die Aufwertung eines ganzen Berufsbildes - da spricht man im Grunde nicht mehr von Employer Branding sondern viel mehr von Profession Branding so Ralf Lange am Ende des Vortrags. Wenn Sie mich fragen: hier wurde eine sehr spritzig Kampagne umgesetzt mit pfiffigem innovativen Elementen. Besonders schön die Erzieherpuppe, die an Kinder verteilt wurde und deren Vorbild über Facebook gevotet wurde! Nice!

Jörg "The Turner" Buckmann machte den nachfolgenden Beitrag in seiner unnachahmlich schweizerischen Art zum Erlebnis. " Frauen gehören ganz nach vorn" ist schon ein sehr gut gewählter Titel für eine Kampagne, die aus der eben erwähnten anderen Ecke stammte. Sein Vortrag war in 5 Flirttipps aufbereitet und flog - einfach gesagt. Diese Tipps könnte man sicherlich auch an anderer Stelle zum Einsatz bringen, aber hier ging's um Recruiting.

Tipp 1
Wer eine Frau kennenlernen will, muss sie ansprechen.
Zielgruppengerechte Ansprache bedeutet eben, dass man sich auf die Zielgruppe einlassen muss.

Tipp 2
Klotzen statt Kleckern.
Die Erfahrung zeigt, dass Kampagnen mehr Wirkung zeigen.

Tipp 3
Einen Cocktail spendieren.
Übersetzt wurde dieser Tipp mit Gross-klein Plakaten und Inseraten, in denen die Plakate und Werbeflächen für die weiblichen Anzeigen deutlich größer waren, als die männlichen Pendants.

Tipp 4
Frechmut beweisen.
Besonders Charmant war die sehr challenging Vorgehensweise, mit der die VBZ andere Berufsbilder direkt angegangen ist. Direkte Ansprache ist King und diese wurde mit intelligentem Humor unterstrichen. So wurden direkt, Dessous Verkäuferinnen aktiv auf Plakaten angesprochen. Eher ungewöhnlich für einen Verkehrsbetrieb - ich kenn mich da aus;)  Competitiv Recruiting möchte ich das nennen, was wirklich groß geschrieben wurde :) I like - möge die bessere gewinnen.

Tipp 5
Sich freuen!
Die Zahlen sprechen für sich. Den VBZ war es gelungen die Bewerbungen von Frauen zu verdoppeln.

Nach einer sehr kurzweiligen halben Stunde mit Jörg ging es dann weiter mit Dominik Hahn von der Allianz. Thema war natürlich Recrutainment.
Was ist das? Wie sieht das bei der Allianz aus? waren die Fragen, die Dominik beantworten wollte. Einen schwerer Stand, den er da hatte, nach Meister Buckmann.
Dominik stellt die Tools vor, die derzeit bei der Allianz aktiv sind. 6 an der Zahl.
Warum machen wir das eigentlich? die Frage, die sich Dominik im Vortrag selbst stellte und direkt auch beantwortete: mangelnde Transparenz. 100 Jobprofile verstecken sich hinter dem Versicherer, die für den normalsterblichen Bewerber meist unsichtbar sind. In einem gesamthaften Ansatz, dies zu ändern, ist Recrutainment ein Baustein. Mit diesem Baustein und den sich daraus gebildeten Matching Tools möchte die Allianz genau dort einhaken, wo der Bewerber im Job-Findungsprozess Unsicherheit verspürt.
Nachfolgend also die 6 Tools im Schnelldurchgang - übrigens war es sogar eine kleine Recrutainmentzeitreise:

Der Perspektiventest gehört zu den älteren Tools der Allinanz. Interessanter Weise wurde dieser Test, welcher als der fundierteste Test der Allianz vorgestellt wurde, nicht vom HR entwickelt. Urheber war Sales aus ganz anderen Gründen ... Datengenerierung - witzig, wie es manchmal so läuft.

Der Allianz Voyager ist das zweite Matching Tool, welches von Dominik vorgestellt wurde. Der Voyager ist eine Berufssimulation und gehört auch zu den älteren Tools. Der Ansatz, das Spiel mit Real Life Elementen ( ja, das gibt es auch noch) am Ende zu ergänzen, gefällt mir sehr gut. So wurden die besten Spieler zum Starnberger See eingeladen - Allianz einmal hautnah.

Der Allianz JobChecker kam dann 2011 auf den Markt. Bestehend aus verschiedenen MINT Spielen wurden Employer Brand Inhalte vermittelt und die Allianz greifbar gemacht.

Kurz darauf folgte der Jobmatcher 2012 aus dem Azubimarketing. Hierbei sollte die Berufsfindung vereinfacht werden. Dort holen sich seither monatlich ca. 500 Azubis Jobvorschläge ab.

Tool Nr. 5 war "Allianz Experience" ebenfalls aus dem Jahr 2012, einem für Vertriebler konzipierten Spiel. Bislang wurde dies von 900 Bewerbern durchlaufen, aus denen dann tatsächlich die freien Stellen im Vertrieb besetzt werden konnten.

Letztes Tool im Bunde war das "Match me if you can" Tool, welches die Neueste Errungenschaft der Allianz ist. Während des Spiels wird der Spieler mit interessanten Infos über die Allianz gefüttert.

Nach dieser kleinen Recrutainmentzeitreise gab es dann die wohl verdiente Kaffeepause.

Nach der Pause ging es in gleichem Tempo weiter mit dem ältesten Recruiting Instrument der Welt - Mitarbeiter werben Mitarbeiter. Wolfgang Brickwedde von ICR berichtet von dem nach wie vor lohnenden Recruitinginstrument, was natürlich gerade in Zeiten von Social Media wieder Auftrieb erhielt. 40% der empfohlenen Bewerber werden eingestellt. Das muss ein anderer Kanal erst mal schaffen. Brickwedde stellte ein paar Zahlen Daten Fakten vor, die auf den Punkt gebracht, meiner Meinung nach aussagen, das MwM weit unterschätzt wird.
Nach den erhellenden ZDF ging es weiter in eine Neuerung: MwM 2.0. Man guckt sich gezielt an, welche Mitarbeiter man ermutigt, aktiv zu empfehlen. Das kann nach Zielgruppe gehen: ich suche einen Vertriebler, also ermutige ich unsere Vertriebler; oder ich gucke mir ein paar Influencer aus, also Netzwerker/ kommunikative Personen, und ermutige diese gesondert. Das ganze Thema kann man auch noch weiter „social-medialisch“ denken. Nutzen Sie das Potential der Netzwerke ihrer Mitarbeiter aktiv. Brickwedde zählt einige mögliche Tools auf (Buddybroker, Bonago). Mitarbeiter Crowdsourcing ebenfalls eine Möglichkeit, das Potential der Mitarbeiter stärker zu nutzen. In Summe ein starker Aufruf zu: Liebe Unternehmen, nutzt erst mal all eure Potentiale (Mitarbeiter), bevor Ihr Geld raus gebt.
Als Best Practice kam dann Frau Rothe von der Firma Butting auf die Bühne - ein Hidden Champion in doppelter Hinsicht!
Knesebeck ... ein Standort, zumindest von den Bildern her, mit einer gewissen Ähnlichkeit zu Heidenheim … war auf einem der ersten Charts, die dem Auditorium präsentiert wurden. Die Firma Butting war mir bislang ebenso wie der Standort auch so gar kein Begriff, was die Hürden der Personalgewinnung von Frau Rothe zumindest mir schnell verdeutlichte. Mit sehr viel Herzblut brachte Sie dann im Folgenden einen fast ungewöhnlichen Ansatz der Mitarbeitergewinnung vor: Unternehmenskulturarbeit (so fasse ich das mal zusammen). Aus diesen Bemühungen hat sich dann ein sehr erfolgreiches Mitarbeiter werben Mitarbeiter Programm entwickelt. Von 200 zu besetzenden Stellen wurden 60% über Empfehlung besetzt bei einem Gesamtbudget von 2.400 €. Da fehlen mir als verblendetem Konzernmensch doch die Worte - Wahuuuuu.
Woran lag der Erfolg? Unternehmenskultur als Schlüssel zum Mitarbeiter und zum Bewerber - so genial wie einfach ;) Nach dem Vortrag wird man doch glatt zum ButtingFan.
"Mitarbeiter zu enttäuschen ist unvermeidbar - sie zu täuschen ist jedoch unverzeihbar".
Mein Fazit: genialer Vortrag!!! Vielen Dank!

Im nächsten Slot präsentierte Bettina Strobel von BASF. "Zeigt, was ihr könnt" gab Einblicke in ein elektronisches Auswahlverfahren für die Ausbildung. Eine der Motivationen zu einem so modernen Schritt war die Wirkung des Arbeitgebers BASF. Von einem ehemaligen paper&pencil Test ging es in die Moderne. Ein weiterer Argumentationsanker für den Schritt in die Zukunft war, dass der Test ein objektives vergleichbares Auswahlkriterium liefert, welches besser ist, als die reinen Schulnoten. Nichtsdestotrotz ist es nach wie vor eher schwierig ein Unternehmen von einer Schulnoten geprägten Auswahl zu lösen.
Obendrein liefert das Tool eine super Übersicht für den Recruiter. Auf einen Blick kann man die alternativen Stärken von Bewerbern erkennen und somit Bewerber umschichten. Gerade im Bereich der Ausbildung ist es leichter möglich Bewerber auf andere Ausbildungsplätze zu beraten. Mit einer solchen Auswertung mit Aussagen bzgl. der Eignung für verschiedene Berufe in der Hand, lässt sich schnell eine Beratung durchführen. Dies wiederum führt zu einem deutlich besseren Ausschöpfen der Bewerbermasse. Die Erfahrungen zeigen, dass die Einführung trotz bestehender Ressentiments ein Erfolg war. Beispielsweise ist die NoShow Quote zum Präsenz Test gesunken. Und vor allem besetzt BASF nun deutlich schneller die Ausbildungsplätze - und das mit weniger Bewerbungen. Weniger ist eben doch mehr :)

Der letzte Vortrag des wirklich guten aber geballten Tages war die Telekom mit: Wissen verändert alles" von Ute Neher. Es ging um Schülermarketing. Ein Unternehmen, welches gut 3.000 Azubis im Jahr einstellt, muss sich da auch gut aufstellen. Das bedeutet vor allem, die Zielgruppe zu kennen. Die Kampagne, die dann aus dem Wissen entstand, wurde "Wissen ist alles" getauft. Das damals lancierte Video kennen Sie vielleicht noch mit der SAW Puppe. Mal ganz anders, nicht Telekom, was nach Neher auch intern für Aufruhr sorgte. Die Kampagne bestand allerdings aus einem ganzen Blumenstrauß von Elementen. Vorstände wurden als Testimonials eingesetzt – und nicht als gut befunden - das Identifikationspotential war einfach zu gering. Schüler auf Augenhöhe eignen sich da mehr.
Ein weiterer Baustein war das reif-Magazin, was mir persönlich sehr gefällt. Das Magazin entwickelte sich dann sogar bis hin zur Sonderausgabe MINT. Interessant die Auswertungen, die wir dann zusehen bekamen: Das Magazin hat einen signifikanten Impact auf die Wahrnehmung der Telekom. Die angepeilte Zielgruppe wurde jedoch leider verfehlt. Als „Ausgleich“ wurde aber statt der 13-16 jährigen die Zielgruppe der Gymnasiasten und Bachelor Studenten erreicht. Den Ritterschlag für das Spiel der Kampagne gab es dann  im WOW Forum, wo ein Post besagte, dass es für ein kostenlosen Spiel ziemlich gut sei.

Super Veranstaltung und sehr lobend zu erwähnen abschließend: der Timekeeper: der coole Gitarrist.

Vielen Dank @Jo + Team!