#NextRecruiting17 - aber leider #yesterdayMindset+Gesetzgebung1800

Zeit im Wert steigern

Über die Kompetenzen des neuen Recruiters schreiben wir schon seit 2010 - bald feiern wir das 10jährige des “neuen Recruitings”. 2012 erhielt ich den HR Excellence Award für mein Schulungskonzept “Recruiter Next Generation” und konnte seit dem bereits etliche Recrutier ausbilden. In all den Jahren habe ich allerdings festgestellt, dass es nicht reicht, die richtigen Kompetenzen mitzubringen. Oder anders ausgedrückt: auf Grund mangelhafter Rahmenbedingungen müssen meine Rekrutier heutzutage noch vor allem eine Kompetenz mitbringen und das ist eine hohe Frustrationstoleranz. Diese benötigt man nicht, weil der Markt immer enger wird. Hier gilt das Motto - Challenge Accepted! Nein, die hohe Toleranz von Frustrationserlebnisse benötige ich auf Grund veralteter Mindsets und daran gekoppelten Regelungen und manchmal Gesetzen, die böse gesagt, den Fortschritt an vielen Stellen verhindern. Ich bin kein Jurist und maße mir daher keine qualifizierte Aussage über beispielsweise das Betriebsverfassungsgesetz an, aber mein subjektiver Eindruck gespeist aus Erfahrungen der letzten 10 Jahre sagt mir: das ist nicht für die Digitalisierung geschrieben worden. Dabei möchte ich die Lanze gern für die Betriebsräte brechen, die mich in meiner Arbeit schon sehr oft unterstützt haben. Alles pauschal auf diese Zielgruppe abzuwälzen, ist daher weder richtig noch zielorientiert. Teilweise muss viel tiefer gebohrt werden.

Natürlich sollen nicht immer die anderen Schuld sein, aber Kompetenz und Umgebung bringen erst in Kombination den Erfolg


Einige von Ihnen werden vielleicht diese eher groteske Diskussion mitverfolgt haben, ob das Medium Video in der Auswahl zulässig sei - betrachtet aus der Perspektive des Datenschutzes. Überlegen Sie sich mal, was da geschieht. Da fällt einigen Personen nach gefühlten 10 Jahren Video in der Bewerbungsphase auf, dass es angeblich nicht Datenschutzkonform sei. Man könne sich auch persönlich treffen, was Video als Medium der Wahl nicht mehr als notwendig erscheinen lässt. Mit Jubin Hofar gemeinsam habe ich gerade ein Buch für Bewerber über Videobewerbung geschrieben, welches am 22.06. erscheinen wird. Das Buch hat bereits heute positiven Anklang in der Zielgruppe gefunden und der Gedanke der Videobewerbung entspricht dem Zeitgeist vor allem der jüngeren Zielgruppen. (Mir ist auch Bewusst, dass die Zielgruppen in Befragungen anders antworten. Aber wenn man stets standardisierten Fragebögen glauben schenken würde, wenn es um die Entwicklung neuer Produkte ginge, dann hätten wir u.a. vermutlich heutzutage kein MobilePhone)
Eine Diskussion, wie eben angesprochen, hemmt diese Entwicklung, die global gesehen, gar nicht aufzuhalten ist. Das einzige was geschieht, ist, dass man in Deutschland den Anschluss verpasst.
Anstelle den Fortschritt zu hemmen, sollte man meiner Meinung nach versuchen, seine Entwicklung zu steuern?

(Wer hierzu näheres lesen möchte, den verweise ich auf den Social Media Recht Blog)

Kleiner Exkurs

Wir leben in einer Zeit, in der “Zeit” ein enorm wertvolles Gut geworden ist. Betrachten wir die letzten Jahre der Rekrutierung, so kann man im Wesentlichen festhalten, dass man immer weniger Zeit hat, um sich mit den aktuellen Themen und Entwicklungen auseinanderzusetzen. Dies gilt meiner Meinung nach, für im Grunde alle Berufsbilder. In der gleichen Menge Zeit werden immer mehr Themen untergebracht bzw. findet immer mehr Entwicklung statt. Zeit wird wertvoller und die ersten Berichte über die neue Generation der Zeitmillionäre waren in den einschlägigen Medien zu lesen. Nun haben wir zwei Strategien mit dieser Verknappung der Zeit umzugehen. Die eine Gruppe versucht die Zeit zu endschleunigen. Im Grunde könnte man auch sagen, diese Gruppe versucht die Zeit zu entwerten. Die Wertsteigerung erfolgte schließlich darüber, dass in dasselbe Zeitfenster heute mehr unter gebracht wird. Wenn ich dies nun wieder endschleunige, dann passt, einfach gesagt, wieder weniger rein. Ausdrücke dieser Strategie sind “Kein Handy im Urlaub”, “nur zwischen 9 bis 17 Uhr arbeiten”, “nicht am WE arbeiten”, usw.
Die andere Gruppe versucht durch Effizienzsteigerung, die Zeit bzw. Tätigkeiten zu beschleunigen. Wird dies erfolgreich durchgeführt, so passt dann wieder mehr in die gleiche Zeit hinein. Diese Gruppe zeichnet sich dadurch aus, dass sie scheinbar weniger arbeiten will. Gern dann arbeitet, wenn es passt, und sehr viel Flexibilität fordert - in jede Richtung. Würden Sie mich fragen, wer hier die besseren Chancen hat, Zeitmillionär zu werden, so sehe ich da die zweite Gruppe klar im Rennen.

Die Rahmenbedingungen, die heutzutage auf das Recruiting treffen, erscheinen mir all-over wertmindernd. Anstelle Zeit in ihrem Wert zu steigern und effiziente Prozesse zu gestalten, wird einem regelrecht Zeit gestohlen. Der Gedankengang mag etwas konfus sein, aber letztlich werde ich als Rekrutier häufig zu Dingen genötigt, die nicht selten auch auf Unverständnis beim Bewerber stoßen. Werden wir konkret: es beginnt mit den Aufbewahrungsfristen von Daten und geht über die allgemeine Datensparsamkeit bis hin zum Arbeitszeitgesetz. Leider kann ich nicht sagen, wie man das gesetzlich besser gestalten kann, weswegen ich hier auch nicht zu laut herumblöken möchte. Es ist stets unschön, wenn man sich beschwert, ohne einen konkreten Verbesserungsvorschlag zu haben.

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Letztlich möchte ich mit dem Blogpost vor allem zum Ausdruck bringen, dass es nicht immer an mangelnden Kompetenzen bei den Recruitern liegt. Viele habe ich kennengelernt, die Vollgas geben wollen, aber mit angezogener Handbremse fahren müssen, da das Unternehmen dies wünscht. Um es mit den Worten von Dr. Eckhard von Hirschhausen auszudrücken:

wenn du Pinguin bist, dich aber in der Wüste aufhälst, dann liegt es nicht an dir, dass es nicht flutscht.

oder in unserem Kontext:

Wenn dur Rekrutier 4.0 bist, dich aber zwischen Gesetzgebung/ BetrVG 1.0, Kollegen -2.1 und Vorgesetzte / Unternehmen Stein.Zeit befindest, dann liegt es nicht an dir, wenn es nicht flutscht.