Nachgefragt: wem gehören die ganzen Xing Kontakte? Fallbeispiel Recruiter

Die Frage steht schon seit geraumer Zeit im Raum und so recht wollte sich keiner ran trauen. Ein Fall aus Hamburg lässt nun die Suppe ein wenig aufschrecken. Als Nicht- Jurist bleiben einem doch schnell mal die Tiefen dieser Disziplin verborgen und so dachte ich mir, besser ich frage nochmal bei jemandem nach, der sich damit auskennt, bevor man dann doch mal in ein Fettnäpfchen tritt. Getreu nach dem Motto: es gibt keine dummen Fragen, bat ich daher Nina Diercks, mir Rede und Antwort zu stehen.

Nina Diercks

Nina Diercks, M.Litt (University of Aberdeen) ist Rechtsanwältin und Partnerin der Kanzlei Dirks & Diercks in Hamburg. Die Anwältin gründete im Jahr 2010 den Social Media Recht Blog. Der Name ist Programm und so berät sie auch in der täglichen Arbeit in allen Bereichen des Social Media Rechts. Die Kanzlei ist unter http://dirksunddiercks.de/ zu erreichen.

 

 

 

Liebe Nina,

mit deinen Artikeln Hört, hört! Ein Geschäftsgeheimnis! – Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg zu XING-Kontakten von Arbeitnehmern (Az. 29 Ga 2/13)
und Gut zu wissen: Wem gehören eigentlich XING-Kontakte und Social Media Accounts? – Oder: Der Herausgabeanspruch des Arbeitgebers hast du, glaube ich, viele aus dem glückseligen Schlaf der Ahnungslosen geholt. Auch ich war einen Moment geschockt und musste kurz mal im Kopf die Übersetzung von Vertriebler zu Recruiter durchführen.

Wie siehst du die Vergleichbarkeit der beiden Berufsgruppen? Ist das, was du schreibst, auch im Spezialfall Recruiter anwendbar (nehmen wir mal an, er habe keinen Recruiter Account im alten Sinne)?

Der „Vertriebler“ sollte nur ein sehr prägnantes, eingängiges Beispiel sein. Denn dass die Kontakte eines Vertriebsmitarbeiters für ein Unternehmen sehr wichtig sind und im Zweifel bares Geld für das jeweilige Unternehmen darstellen, wird den meisten sofort einleuchten. Die Brücke zum Recruiter lässt sich gedanklich insbesondere dann sehr gut schlagen, wenn wir an den Recruiter als „Talent Relationship Manager“ denken. In manchen Regionen und/oder Branchen reicht es schon heute nicht mehr, den potentiellen Kandidaten schmackhafte Köder an die Angel zu hängen, um sie ans Land zu ziehen, bzw. zum Eintritt ins eigene Unternehmen zu bewegen. Oft genug muss der Recruiter in den Teich steigen, nach Kandidaten tauchen und harte Überzeugungsarbeit leisten, damit ein Fisch mitkommt. Und trotz aller Überzeugungsarbeit sagt der ein oder andere Fisch dann „“Oh wie nett. Aber ich möchte gerne noch ein bisschen was an der Teich-Universität lernen oder mir einen anderen Teich angucken, vielleicht komme ich aber zu einem anderen Zeitpunkt mit.” Hier gilt es dann den Kontakt zu halten. (Wem die Analogie mit den Fischen und dem Teich bekannt vorkommt, ich habe sie schon mal in meiner Serie „Active Sourcing & Talent Relationship Management (TRM) – rechtlich betrachtet“ verwendet.)

Das eben besagte Kontakthalten erfolgt heutzutage in der Regel über Netzwerke wie XING. Und nun stelle man sich vor, der Mitarbeiter ist Recruiter und Talentrelationship Manager bei Siemens, zuständig für Maschinenbauingenieure, die auf Turbinenbau spezialisiert sind. Er arbeitet schon fünf Jahre auf der Position und hat sich ein breites und vielversprechendes Netzwerk aufgebaut. Er begleitet so manchen Studenten seit dem 1. Semester und hat diese vielversprechenden Kandidaten nie von der Angel gelassen (um ein Mal im Bild zu bleiben). Der Mitarbeiter wechselt zu EON. Für welches Unternehmen wird er dann seine vielen gehegten und gepflegten Kontakte begeistern? Und welchem Unternehmen werden exakte diese gehegten und gepflegten Kontakte fehlen – jedenfalls dann wenn die Kontaktpflege ausschließlich durch diesen Recruiter und seine „privaten“ (also nicht firmeninternen Systeme) erfolgte?

Ich denke mit diesem Beispiel wird klar, dass die aufgeworfenen (Rechts-)Probleme zur Frage „Wem gehören eigentlich die XING-Kontakte?“ natürlich auch auf die Spezies der Recruiter übertragbar sind. Also, ja auch ein Pool von potentiellen Kandidaten kann ein „Geschäftsgeheimnis“, jedenfalls aber das im Rahmen des Arbeitsverhältnis „Erlangte“ sein, welches der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber herauszugeben hat.

In deinem Beitrag hattest du dich bereits zur Recruitermitgliedschaft geäußert. Aber wie ist es um die Premiummitgliedschaft bestellt. Viele Unternehmen zahlen verschiedene Mitarbeitergruppen eine Premiummitgliedschaft, um den grundsätzlichen Netzwerkgedanken zu fördern - in manchen Fällen auch als Goodie. Sind das dann Private Accounts/ Firmen Accounts? Und wem gehören die Kontakte?

Nun ja, wie ich bereits schrieb, das hängt vom konkreten Einzelfall ab. Dass ein Unternehmen die Gebühren für die Mitgliedschaft übernimmt, ist sicher ein Indiz dafür, dass dieser Account in erster Linie beruflicher Natur ist und die Kontakte dem Unternehmen zuzuordnen sind. Aber fraglich ist dann natürlich auch unter welchem Namen der Account verwendet wird, welche Email-Adresse als Kontaktadresse angegeben ist, welche (postalische) Adresse ist im Profil vermerkt und, last but not least, welchen Charakter hat das Profil in der Gesamtschau? Denn gerade wenn nur ein geringer Teil der Kontakte mit der Recruiter-Tätigkeit zu tun hat und der überwiegende Teil eher „private“ Kontakte sind, dann kann das Ganze schon wieder anders aussehen. Sorry, aber pauschal gibt es hier nur die Juristen-Antwort „Das kommt darauf an…“.

Nun predige ich vor allem, dass die Recruiter der nächsten Generation sich auch intern vernetzen müssen. Auf Grund mangelnder interner Social Netzworks erfolgt dies häufig über Plattformen wie Xing. Hierbei handelt es sich dann ja auch noch oftmals um Schlüsselfunktionen. Wie sind diese Kontakte zu bewerten? Sind diese Geschäftsgeheimnisse?

Ich denke, Du meinst mit der internenen Vernetzung, dass die Recruiter ins eigene Unternehmen ein enges Netzwerk knüpfen sollen, um das Recruiting inhaltlich besser gestalten zu können gestalten zu können. Also, dass der Recruiter bspw. engen Kontakt zum Vertriebsleiter und zum leitenden Ingenieur in der Produktion hält, um dadurch Einblicke in das Leben der jeweiligen Abteilungen zu bekommen, um sozusagen, den Daumen am Puls der Bedürfnisse zu haben. Richtig?

Ja, genau das meinte ich Nina. Also, was machen wir jetzt mit diesen Kontakten?

Zunächst einmal hast Du vollkommen Recht, auch diese Kontakte sind entscheidende Schlüsselkontakte – gerade dann, wenn der Recruiter den Arbeitgeber wechselt. Allerdings: Diese Kontakte werden ohne hin sehr eng sein. Wechselt also der Recruiter und konstruieren wir einmal den Fall, der Recruiter hätte den Kontakt bisher über einen eindeutigen Firmen-Account gepflegt, dann könnte das Unternehmen die „Mitnahme“ dieses Accounts und der darin enthaltenen Kontakte wohl verbieten. Doch natürlich steht es dem Recruiter und dem Vertriebsleiter frei, auf anderem Wege den Kontakt wieder aufzunehmen. Ein diebsbezügliches Verbot wäre aufgrund der immensen Einschränkung des Persönlichkeitsrechts unzulässig. Eine andere Frage wäre, ob das Unternehmen ein wirksames Abwerbeverbot mit dem scheidenden Recruiter vereinbaren könnte, aber auch das ist nicht so einfach wie es sich anhört.

Was würdest du nun Recruitern empfehlen, deren Pfund zukünftig die Netzwerke sein werden, die Sie um sich herum aufbauen?

Den Recruitern könnte man noch am ehesten sagen "Machen Sie einfach weiter (mit der Kontaktsammelei auf Ihre Weise)". Denn wenn jemand ein wirkliches Problem hat, wenn der Recruiter das Unternehmen verlässt und die Kontakte exklusiv „mitnimmt“, dann das Unternehmen. Das Unternehmen wird in die Handlung gegenüber dem (Ex-)Mitarbeiter und im schlimmsten Falle auf den Klagweg gezwungen. Ein derartiges Ende einer Arbeitsbeziehung wünscht sich natürlich niemand. In Folge dessen ist es natürlich auch wieder im Interesse der Recruiter diese Fragestellungen zu klären. Das kann man mit entsprechenden Vereinbarungen, die für beide Seiten Klarheit schaffen und regeln, wer wie wo welche Kontakte zu speichern hat, sehr gut machen. Also, wenn derartige Vereinbarungen im Unternehmen nicht existieren, dann sollten im Interesse aller besser solche geschaffen werden. Klingt wieder nach nervigem Jura-Krams, ist aber weit weniger nervig, als unschöne Auseinandersetzungen über bestehende Kontakte, die mit einem gerichtlichen Aktenzeichen enden. Und das ist auch im Interesse jeden einzelnen Recruiters.

Vielen Dank!