Employer Branding – wenn man es nicht erwartet

Es ist Weihnachten und wie jedes Jahr wird dieses Fest feierlich in Soest begangen. Soest, eine kleine Stadt in NRW am Ende ihrer Blütezeit.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass die DB die Ausschreibungen und somit die Strecken rund um Soest verloren hat. Seither bedient die EuroBahn die Strecken - auch die Strecke Soest-Hamm-Münster. So kam es, dass ich auf meiner Rückfahrt nach Berlin erneut das Konkurrenzprodukt testen durfte.
Schlechter Start: 20 Minuten Verspätung - mit mir am Bahnsteig in Soest vollgegessene Menschenmassen, dem Fresskoma just entsprungen. So beginnen doch immer die besten Reisen.
Klar ist auch, dass mal wieder niemand den Unterschied zwischen DB und anderen Anbietern machen wird, denn an Verspätung kann ja nur einer Schuld sein. Wie dem auch sei, die EuroBahn trifft ein und die Massen drängen zu den Sitzplätzen. Es ist ausreichend Platz - jeder kann sitzen - keiner ist schlecht gelaunt - es scheint friedlich abzulaufen.
Doch dann - man hüte sich vor voreiligen Schlüssen - wenige 100 Meter hinter Soest bleiben wir liegen - zu allem Überfluss in einer Kurve.
So schnell kann's gehen – um mich herum 6 Fussballfans. "Mein Sohn arbeitet bei der Deutschen Bahn- der kann alles erklären" tönt es aus dem Off. Exkurs: stimmt da war ja noch jemand. Mit mir gemeinsam auf Reisen - mein Vater. Stolz wie Oskar, dass sein Sohn bei der DB arbeitet und stets darum bemüht, dass das auch jeder erfährt.
Kommen wir zurück zu 6 Fussballfans und dem Employer Branding: der Experte war ja nun gefunden und man scheute sich nicht, mir zu meinem Arbeitgeber zu gratulieren.
Gratulieren? Habe ich mich verhört? Nein, gratulieren. Nicht die üblichen Preissenkungsanfragen und das beliebte Pannengeschimpfe schlugen über mir ein - es begannen die "Wir hatten großartige Verspätungsmomente" Arien. Diese mir noch völlig unbekannten Arien fingen an, mir sehr zu gefallen. Männer, die sich mit ihren Verspätungsgeschichten gegenseitig übertrumpfen wollten. Genial! Mit Stolz geschwellter Brust berichtete man mir, wie mühelos die Hürden genommen wurden, die höhere Gewalten für einzelne Reisen vorgesehen hatten. Das Bermuda Dreieck NRWs läge hier direkt vor meinen Füßen. Trassen seien schon des Öfteren spurlos verschwunden.
Offensichtlich war es kein Scherz. Großartige Verspätungsmomente waren hier verlebt worden, je verzwickter desto beeindruckender.
Mit einem ganz neuartigen Gefühl konnte ich mich in die Erzählungen einbringen und direkt sehr positiv den Arbeitgeber DB platzieren. Aber wer hätte das gedacht. Nichts sei langweiliger als eine Zugfahrt auf der nichts geschieht. „Was willste denn dann zu Hause berichten?“. Ja, was will ich dann zu Hause berichten… Vielleicht morgen dann von der Geburtsstunde eines neuartigen Motivationsschreibens: „schildern Sie uns Ihre schönsten Verspätungsmomente“.