Employer Branding international – Arbeitgeber- und Kommunikationspräferenzen indischer und brasilianischer Studenten im Vergleich

Franziska Weber

Gastbeitrag von Franziska Weber, B.A.
Franziska Weber begann ihren akademischen Werdegang an der Universität Erfurt mit einem Bachelorstudium der Medien- und Kommunikationswissenschaften mit Nebenfach Anglistik. Anschließend absolvierte Sie den Masterstudiengang Communication Management an der Universität Leipzig und sammelte während eines Studienaufenthalts an der Universität Oslo Auslandserfahrung. Im Rahmen ihrer Masterthesis arbeitete Sie an einer Studie zur Arbeitgeberattraktivität in Indien und Brasilien, deren Ergebnisse im Rahmen dieses Gastbeitrags vorgestellt werden. Ferner absolvierte sie Praktika in der Presse- und Kulturabteilung der Deutschen Botschaft in Canberra, dem Außenwirtschaftsverband Afrika-Verein und dem Technologiekonzern Voith. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Masterarbeit ist sie nun auf der Suche nach einer beruflichen Herausforderung im Bereich Employer Branding, Personalmarketing oder Markenberatung.

Einleitung und Forschungsfrage

„One man`s sushi is another man`s steak” – dieser Titel eines Werbeplakats von Japan Airlines begegnete mir vor einigen Jahren in einem Seminar über interkulturelle Kommunikation. Auf diesem waren zwei Geschäftsmänner zu sehen – ein westlicher in traditionellem japanischem Gewand und ein asiatischer im schwarzen Anzug mit Krawatte. Konträr zu dem naheliegenden Schluss, dass japanische Geschäftsmänner Sushi und Manager der westlichen Industrienationen Steak bevorzugen, befanden sich die jeweils anderen Speisen auf den Tellern der Darsteller. Das Plakat spielte folglich mit dem Stereotyp der kulturbedingten Unterschiede und Präferenzen, die in einer immer stärker globalisierten Welt aufgebrochen werden und eines Tages möglicherweise gänzlich verschwinden. Meine Masterarbeit beschäftigte sich, entgegen dem einleitend beschriebenen Szenario, nicht mit der Frage, inwiefern sich die Landeskultur auf die Wahl bestimmter Speisen auswirkt. Vielmehr stand die Frage im Fokus, ob aus Indien und Brasilien stammende Ingenieurstudenten unterschiedliche Vorstellungen von ihrem Wunscharbeitgeber und dessen Kommunikation haben und inwiefern diese Unterschiede auf differierende kulturelle Hintergründe zurückzuführen sind. Auf internationaler Ebene wurde dem Thema Employer Branding bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt – sowohl in wissenschaftlicher als auch in praktischer Hinsicht. Mit dieser Forschungsfrage betritt die hier vorgestellte Masterstudie daher Neuland und lässt konkrete Implikationen für die Unternehmenspraxis im internationalen Employer Branding zu. Lägen überwiegend homogene Präferenzen der Studenten vor, dann wäre eine global einheitliche Gestaltung der Arbeitgebermarke für diese Zielgruppe zu favorisieren. Bei heterogenen Präferenzstrukturen wäre hingegen eine Anpassung der studentenbezogenen Employer Brand an die Spezifika der einzelnen Untersuchungsländer sinnvoll. Die Studienergebnisse zeichnen für verschiedene Faktoren der Arbeitgeberattraktivität ein unterschiedliches Bild, wie im letzten Teil dieses Beitrags dargestellt.

Theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung          

Die Erforschung von Zielgruppenpräferenzen im Employer Branding ist umstritten, da häufig eine gänzlich identitätsbasierte Generierung der Employer Value Proposition aus dem Unternehmensinneren heraus favorisiert wird (vgl. z.B. DEBA 2012). Für die vorliegende Arbeit wurden die identitätsbasierte Sichtweise (Was zeichnet den Arbeitgeber aus Sicht der Mitarbeiter aus?) und die nutzenorientierte Sichtweise der Arbeitgebermarke (Welche Faktoren sind potenziellen Arbeitnehmern bei der Arbeitgeberwahl wichtig?) integriert und durch einen Abgleich (z.B. durch eine Variabilitätenanalyse, vgl. auch Trost 2009) miteinander verbunden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass nur jene Elemente in die EVP aufgenommen werden, die auch in der Unternehmensrealität vorhanden sind und die Positionierung der Arbeitgebermarke dennoch die Wünsche der Zielgruppe nicht verfehlt. Da in der Forschungsfrage dieser Studie davon ausgegangen wurde, dass die studentischen Präferenzen von der langfristigen kulturellen Prägung der Studenten beeinflusst werden, erscheint auch das Gegenargument zur Untersuchung von Präferenzstrukturen – nämlich deren Schnelllebigkeit, die nach kurzer Zeit eine Anpassung der Arbeitgebermarke an neue Trends nötig macht – eher schwach. Abbildung 1 veranschaulicht einen Vorschlag zur Erstellung von Arbeitgebermarken über verschiedene Länder hinweg. Zusätzlich wurde im Rahmen der Masterarbeit ein theoretisches Modell entwickelt, dass die verschiedenen kommunikativen Ansatzpunkte zur Etablierung von Employer Brands im internationalen Kontext aufzeigt. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieses Blogbeitrags kann das Modell an dieser Stelle jedoch nicht vorgestellt werden.

 

Die aufgezeigten zwei Möglichkeiten sind nicht als erschöpfend zu bezeichnen, sondern aus Gründen der Übersichtlichkeit gewählt. Je nach Ausprägungen der internen Attraktivitätsfaktoren und der externen Präferenzen können sich weitere Optionen als sinnvoll erweisen.

Zur Untersuchung der vermuteten Zusammenhänge wurden Maschinenbau- und Elektrotechnikstudenten aus Indien und Brasilien als Untersuchungsgruppe gewählt. Die Untersuchung kann nicht als repräsentativ gewertet werden, sondern zeigt erste Trends auf, die aufgrund einer breiteren Datenbasis geprüft werden sollten. Um einen adäquaten Fragebogen für die Zielgruppe konzeptionieren zu können, wurden in einer Vorstudie Interviews mit indischen und brasilianischen HR-Managern des Projektpartners Voith geführt. Diese legten auf Basis ihrer Expertise mit studentischen Gruppen ihre Sicht auf die wichtigsten studentenspezifischen Attraktivitätsfaktoren dar. Die direkte Befragung der Studenten erfolgte mit Hilfe eines Onlinefragebogens, der mittels einer Social Media Strategie an technischen Hochschulen der Untersuchungsländer verbreitet wurde. Im Anschluss wurden die gewonnenen Datensätze mit Hilfe des statistischen Auswertungsprogramm SPSS ausgewertet, um Zusammenhänge zwischen kulturellen Prägungen und Attraktivitätsfaktoren nachweisen zu können. Die kulturelle Komponente der Forschungsfrage wurde anhand der Kulturdimensionen der Leistungsorientierung (Wie stark ist der Leistungsgedanke in dieser Gesellschaft verankert?), der Zukunftsorientierung (Wie wichtig ist einer Gesellschaft die Ausrichtung an zukünftigen Entwicklungen?), des gesellschaftlichen Kollektivismus (Wie stark ist eine Gesellschaft kollektivistisch geprägt?), der Humanorientierung (Wie stark ist eine gegenseitige Fürsorge in dieser Gesellschaft verankert?) und der Machtdistanz (Wie bedeutsam sind Status und Hierarchien in dieser Gesellschaft?) erhoben (vgl. House 2004). Unterschiede zwischen den Einschätzungen der Studenten wurden hinsichtlich der instrumentellen Angebote, wie etwa dem Gehalt oder den Weiterbildungsangeboten, den symbolischen Eigenschaften von Arbeitgebern, wie bspw. der Reputation oder der Rolle als Innovator, und der Kommunikation von Arbeitgebern, z.B. durch Online- oder Printkanäle, erwartet.

 

Ergebnisdarstellung

 

Im Hinblick auf die instrumentellen Angebote wählten sowohl die brasilianischen als auch die indischen Befragten Karrieremöglichkeiten am häufigsten als erste Priorität bei der Arbeitgeberwahl, siehe Abbildung 2. Rundet man die Ergebnisse auf, dann schätzten etwa jeder zweite brasilianische Befragte und jeder dritte indische Befragte Karrierechancen als wichtigsten Faktor beim zukünftigen Arbeitgeber ein. In der Gruppe der fünf häufigsten Prioritäten, die aus 24 möglichen Faktoren gewählt wurden, finden sich außerdem vier Überschneidungen zwischen Indern und Brasilianern, was die Homogenität der Antworten betont. Neben den Karrieremöglichkeiten ziehen indische und brasilianische Studenten besonders Weiterbildungsmöglichkeiten, interessante Arbeitsaufgaben, und das Einstiegsgehalt in ihre Entscheidungsprozesse mit ein. Lediglich für zwei instrumentelle Faktoren wurden signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt: den eigenen Verantwortungsbereich und das Herkunftsland des Unternehmens. Beide Faktoren waren für die indischen Befragten wichtiger. Der eigene Verantwortungsbereich könnte daher ein Faktor sein, der in der indischen und der brasilianischen Positionierung gesondert berücksichtigt werden sollte. Zusammenfassend legt dieses Ergebnis für den instrumentellen Teil der Arbeitgeberpositionierung für die untersuchten Zielgruppen eine Standardisierung mit geringen Anpassungen nahe.

Die Ergebnisse der symbolischen Faktoren sind insgesamt als weniger homogen als die der instrumentellen Faktoren zu beschreiben. Hinsichtlich der symbolischen Faktoren führten in Indien die Faktoren

 

Vergleich erste Priorität bei der Arbeitgeberwahl in Indien und Brasilien

Unvoreingenommenheit, Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Teamgeist und Innovationsgrad des Arbeitgebers das Feld an, während für die brasilianischen Befragten Fairness, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit, Vertrauenswürdigkeit und Aufrichtigkeit das Bild des perfekten Arbeitgebers formten. Die Ehrlichkeit und die Vertrauenswürdigkeit des Arbeitgebers stellten demnach Überschneidungen dar. Signifikante Unterschiede zeigten sich hinsichtlich der Faktoren der Fairness, der Macht, der Überlegenheit und der Unvoreingenommenheit von Arbeitgebern. Der Fairness-Faktor war für die brasilianischen Befragten wichtiger, während die Faktoren der Macht, Überlegenheit und Unvoreingenommenheit der Arbeitgeber-Vorstellung der indischen Studenten eher entsprachen. Im Rahmen der offenen Nennungen fügten die Befragten beider Gruppen den symbolischen Faktoren eine Vielzahl von Vorschlägen hinzu, während die instrumentelle Liste nicht ergänzt wurde. Dies deutet darauf hin, dass die symbolischen Vorstellungen der Befragten über ihren Wunscharbeitgeber wesentlich vielschichtiger sind als ihre Anforderungen an die instrumentellen Faktoren. Der symbolischen Gestaltung der Arbeitgebermarke wird daher das größere Differenzierungspotenzial zugesprochen. Im Hinblick auf die symbolischen Faktoren wird daher eine Strategie der lokalen Adaption empfohlen, da die Ergebnisse nur geringe Überschneidungen aufwiesen.

Die Befragten beider Länder maßen im Hinblick auf die Arbeitgeberkommunikation den persönlichen Kontaktoptionen die größte Bedeutung bei, gefolgt von Online- und Printkommunikation. Sowohl von Indern als auch Brasilianern wurden Praktika als wichtigste Möglichkeit des persönlichen Kontakts eingeschätzt. Ein signifikanter Unterschied trat hingegen hinsichtlich der Exkursionen von Universitätsklassen zu Unternehmen auf. Brasilianer empfanden diese Art des Kontakts als wichtiger als die indischen Studenten. Hinsichtlich der Print-Kommunikation wurde Potenzial für die Employer PR offengelegt, da Arbeitgeberartikel in Magazinen und Zeitungen von den indischen und den brasilianischen Befragten als signifikant wichtiger eingeschätzt wurden als Stellenanzeigen, Imageanzeigen und Werbeangebote. Mit dem Grad an Vertrauen in die Medienberichterstattung stieg außerdem die Wichtigkeit von Arbeitgeberartikeln in Magazinen und Zeitungen für die indischen und brasilianischen Befragten. Hinsichtlich der Online-Kommunikation wurde die Bedeutung der Karriereseite sowohl in Indien als auch in Brasilien bestätigt. Employer Blogs und Direct Mailings wurden hingegen von indischen Befragten signifikant stärker favorisiert als von der brasilianischen Vergleichsgruppe. Als Genre der Arbeitgeberkommunikation bevorzugten brasilianische Studenten Reportagen, während indische Studenten kurze, informative Unternehmensprofile als beste Möglichkeit zur Information über Arbeitgeber ansahen. Die Arbeitgeberthemen wurden abermals in beiden Gruppen von den Karrieremöglichkeiten dominiert. Im Überblick zeigten sich hinsichtlich der Kanäle der Kommunikation zahlreiche Übereinstimmungen, wie beispielsweise eine stärkere Favorisierung von persönlichen und Online-Kanälen. An verschiedenen Stellen, wie den Genres, kamen hingegen Unterschiede zum Vorschein. Es wird daher für eine Mischform aus Standardisierung und Adaption je nach Präferenz der Gruppe plädiert.

Das letzte zentrale Ergebnis der Studie ist, dass sich für die untersuchten Zielgruppen der brasilianischen und indischen Ingenieursstudenten in keiner der Kulturdimensionen signifikante Unterschiede feststellen ließen. Es war demnach für diese Stichprobe nicht die Landeskomponente, die bestimmte Arbeitgeberfaktoren für die Vergleichsgruppen attraktiver machte. Ähnlich wie im einleitend beschriebenen Plakat traten nicht die erwarteten kulturellen Unterschiede ein – die Karrieremöglichkeiten des Inders waren eben doch die Karrieremöglichkeiten des Brasilianers und hatten für beide Gruppen denselben Stellenwert. In den Hypothesen war beispielsweise angenommen worden, dass aufgrund des ehemals stark hierarchischen Kastensystems in Indien eine stärkere Machtdistanz für die indische Gruppe zu erwarten war. Dies hätte möglicherweise in einer größeren Attraktivität von Karrieremöglichkeiten und dem Aufstieg im Unternehmen resultieren können. Diese Annahme bewahrheitete sich in dieser Masterarbeit nicht.

Zur Interpretation dieses Ergebnisses bleibt zu betonen, dass es sich bei der studentischen Zielgruppe um die Bildungselite der beiden Länder handelt, die aufgrund ihres Umfeldes stärker am Wissens- und Erfahrungsaustausch mit anderen Ländern teilhat und auch geographisch mobiler ist, woraus möglicherweise die Angleichung der Werteorientierungen resultiert. Auch technologische Einflüsse wie die starke Nutzung des Internets und seiner vielfältigen Angebote können als Interpretationsansatz der homogenen Werteorientierungen indischer und brasilianischer Studenten dienen. Obgleich keine unterschiedlichen Werteorientierungen zwischen den beiden Untersuchungsgruppen nachgewiesen wurden, wirkten sich dennoch unterschiedliche Grade an Werteorientierungen auf die Bewertung verschiedener Attraktivitätsfaktoren aus – unabhängig ob Brasilianer oder Inder befragt wurden. Beispielsweise waren für stark zukunftsorientierte Studenten Karrieremöglichkeiten, interessante Arbeitsaufgaben und der Innovationsgrad des Arbeitgebers wichtiger als für weniger zukunftsorientierte Studenten. Stark humanorientierte Studenten legten hingegen mehr Wert auf Teamwork und den Teamgeist im Unternehmen als weniger stark humanorientierte Studenten dies taten. Diese Erkenntnis bietet weiteres Potenzial für die Positionierung von Arbeitgebermarken. Eine Einteilung der Studentensegmente anhand ihrer Nationalität scheint anhand dieser ersten Ergebnisse im Ländervergleich zwischen indischen und brasilianischen Studenten für zukünftige Studien weniger relevant zu sein. Welche Persönlichkeiten mit welchen Werteorientierungen der Arbeitgeber ansprechen möchte, sollte hingegen stärker in den Fokus rücken. Eine Unterscheidung in Studentensegmente anhand ihres Grades einer bestimmten Werteorientierung wird daher als Chance für das Employer Branding eingeschätzt.

Literaturangaben

Kriegler, W. R. (2012). Praxishandbuch Employer Branding. Freiburg: Haufe-Lexware.

Trost, A. (2009). Employer Branding. In A. Trost (Hrsg.), Employer Branding –
Arbeitgeber positionieren und präsentieren (S. 13-77). Köln: Luchterhand