Die Zukunft liegt in der Hand - mobile Revolution: leise, schleichend, aber dann knallt's

Netzwerke mit Handynummer basierter Registrierung übernehmen die Führung

Der Blick über den Tellerrand

Das internationale Arbeiten bereichert mich derzeit enorm. Den Blick einmal aus dem doch sehr konservativen deutschen Arbeitsmarkt heben zu können, beflügelt meine Gedanken und verschafft mir eine gänzlich neue Perspektive. Sich einmal vor Augen zu führen, in welche Richtung die Welt läuft und mit welcher Geschwindigkeit, wenn wir von Social Media sprechen, lässt die Entwicklungen in Deutschland zeitlupenartig erscheinen. Aber nur weil sich etwas schnell bewegt, muss es ja nicht gut sein! Da Entwicklungen an sich keine Experten befragen, bevor sie sich entwickeln, sind die Diskussionen, ob das Alte besser war oder das Neue doch etwas Gutes hat, letztlich meiner Meinung nach eh unnötig. Wir müssen mit dem Leben, was vor uns liegt, und vom "survival of the fittest" wird "survival of the most creative".

Meine letzte Reise nach China brachte mir etliche neue Einblicke in dortige Social Media Entwicklungen. Wie es mit der Vergleichbarkeit bestellt ist bzw. der Übertragbarkeit, habe ich für diesen Beitrag gekonnt ignoriert und damit unterstellt.

Gerade im Bereich Mobile tut sich in China sehr viel, wobei bereits vor vielen Jahren - als die ersten QR Codes auf den Markt kamen - die Asiaten sich als sehr mobile-affien erwiesen hatten. Die Überraschung meinerseits war also nicht in der Tatsache begründet, dass sich dort vieles im mobilen Segment tut, sondern vielmehr in der Art und Weise, wie sich Mobile dort gerade an die Spitze von allem setzt. Leise hatte sich diese Revolution vermutlich über Jahre angekündigt. Dass zum Abschluss ein Schach Matt stünde, hätte ich mir aber nie träumen lassen. Ich bin gespannt, was Sie lieber Leser zu meinen nachstehenden Gedanken sagen.

Ein Medium löst sich auf

Es gab schon früher Stimmen, die besagten, dass das Medium Email im Grunde längst ausgesorgt hat. In der Regel entfachten sich heiße Diskussionen, wenn ich in meinen Vorträgen fallen ließ, dass jeder, der Email mit moderner Kommunikation in Verbindung bringt, von vorgestern sei.

Facebook hatte schon vor Jahren begonnen, die Email zu ersetzten. Der Chat und die Nachrichtenfunktion sind bzw. waren alles was man (die Jugend) brauchte. Berichten zu Folge hatten sich Unternehmen und Universitäten in den USA bereits auf diese Entwicklung eingestellt. Auch Lehrer aus Deutschland berichteten, dass der Kontakt zu ihren Schülern via Facebook deutlich besser liefe, als über Email. Letztere (die Email) würde eigentlich nicht mehr verwendet werden. Einzig die Anmeldung bei Netzwerken wie Facebook verlangte eine Emailadresse, weswegen zumindest viele Jugendliche sich eine solche einrichteten und dann wieder vergaßen. Eine Welt ohne Emailadressengebrauch schien sich anzubahnen. Dies wurde aber als Unsinn abgetan und ignoriert.

Wenn wir (an) morgen denken

Eine Welt ohne Emailadressen? Kann so etwas überhaupt funktionieren. Was dann alles nicht mehr geht, habe ich schon zu hören bekommen. Archivierung, Business, Unternehmenskommunikation usw. 1.000 Dinge sprechen gegen die Abschaffung. Aber, wie bereits erwähnt, gibt es immer mal wieder Entwicklungen, die sich nicht dafür interessieren, was dann alles nicht mehr geht. Lassen wir uns also darauf ein und nehmen an, es gebe keine Emailadressen mehr. Ein Onlinebewerbungsprozess, der zur Registrierung zwingend eine Emailadresse erwartet, wäre wohl als erstes zu streichen. Die Basisbewerberkommunikation, sofern diese heute überhaupt statt findet, müsste sich ebenfalls einen neuen Weg suchen. Eine Eingangsbestätigung dann wieder per Post zu versenden, wäre übrigens nicht mein erster Gedanke.
Mit Wegfall der Emailadresse müsste man den gesamten Prozess neu denken. Der Bewerber würde sich über seine/ ihre Handynummer registrieren. Die Bewerbung an sich sollte dann sinniger Weise One-Klick sein und der Link zu seinem Profil sollte direkt von seinem mobilen Endgerät aus übertragen werden. Mobile wäre plötzlich der Hauptkanal. Alles andere wäre Beiwerk. Der gesamte Kontakt zwischen Bewerber und Unternehmen würde in einem Smartphone stecken. Sind wir für solche Gedanken schon bereit?

Morgen ist heute gestern und wir sind mitten drin

Wenn das Gedankenspiel gar kein Spiel mehr ist, sondern bereits heute werdende Realität, dann wäre meine vorsichtige Anmerkung, dass wir hier was ganz Großes gerade verschlafen. Aber seien Sie beruhigt, Facebook schläft mit uns.

Kommen wir zurück zu meinem eingangs erwähnten Chinabesuch und schließen den Kreis dieses Beitrags.

China ist ein sehr schnelllebiges Land - insbesondere mit Blick auf das Internet. Wenngleich Facebook und Twitter dort nicht verfügbar sind, so existieren doch vergleichbare Netzwerke, die sogar äußerst vergleichbar sind. Mit äußerst meine ich nicht nur die Funktionalitäten wie Pinnwand, Chats usw., sondern vor allem auch die Anmeldeprozedur. Nun mag der eine oder andere denken: was interessiert mich die Anmeldeprozedur? Mein Interesse daran war bis vor Kurzem auch nicht so groß. Nach meiner Dienstreise änderte sich dies.

Müsste ich die Welt der Social Networks heute in zwei Hälften teilen, allein entschieden durch ein Attribut, dann wäre es die Anmeldeprozedur. Die eine hälfte der Netzwerke verlangt nach einer Emailadresse, die andere hälfte nach einer Handynummer. Mit diesem Wissen kehren wir zurück auf den chinesischen Markt. In den vergangenen Jahren waren es QQ, renren und weibo, die den Social Network Markt in China beherrschten. Alles Netzwerke mit emailbasierter Anmeldung. Seit einiger Zeit hat sich allerdings ein neuer Player auf dem Markt breit gemacht: WeChat, ein Netzwerk mit Handynummer-basierter Registrierung. Meine vorsichtige Vermutung (durch Zahlen natürlich nicht belegt) ist, dass in China die einfache Regel gilt: jeder, der eine Emailadresse hat, besitzt auch ein Smartphone. Aber: nicht jeder der ein Smartphone hat, besitzt auch eine Emailadresse. Wir hätten folglich deutlich mehr potentielle Nutzer im Fall der Handynummern-basierten Anmeldung.
WeChat übernimmt langsam aber stetig die führende Rolle in China. Die aufgezeigte Ursache ist natürlich nur eine Vermutung meinerseits.
Aber auch in Deutschland haben wir bereits sehr erfolgreiche Handynummern-basierte Netzwerke, wie beispielsweise Whatsapp oder Snapchat. Da diese beiden jedoch noch nicht die Funktionen von Facebook & Co. auffangen können, hat hier m.E. noch keine signifikante Marktverschiebung stattgefunden.

Der Wechsel von der Emailadresse zur Handynummer ist ein Paradigmenwechsel.

Das Handy ist nicht länger eine Option neben dem Rechner, sondern der einzige Zugang zum "modernen" Social Web. Netzwerke, die sich hierauf nicht rechtzeitig einstellen, scheinen von der Bildfläche zu verschwinden. Natürlich ist dieser gesamte Beitrag eine sehr gewagte These meinerseits, aber spinnen Sie einfach mal mit. Wenn Sie dies tun, dann hören Sie vielleicht auch den Knall.

... wir wachen auf und die Welt ist mobile.