XING am Ende? - LinkedIn im Feature Rausch

Man könnte meinen, dass LinkedIn in den vergangenen Monaten endlich das Gaspedal gefunden hat. Es ist ein sehr subjektiver Eindruck, doch während etliche Unternehmungen sich der Corona Depression hingegeben haben, hat LinkedIn mal ordentlich was raus gehauen. Ein Lost-Year? Weit gefehlt - LinkedIn kam gefühlt im Wochentakt mit Neuerungen um die Ecke.

Kurzer Blick auf die Zahlen

Aber bevor wir auf die Neuerungen eingehen, werfen wir noch einen Blick zurück auf XING. Vor Jahren wurden bereits die Stellenbörsen totgesagt und viele andere ebenso, die heute noch am Markt teilweise sehr erfolgreich existieren. Auch XING gehört zu den vielfach totgesagten Netzwerken. Ich selbst bin immer wieder überrascht, wie gut sich doch dieses Netzwerk hält. Mein eigenes Umfeld scheint dort nur noch sporadisch vorbei zu schauen und mich selbst verschlägt es auch nur noch zum Sourcen dorthin. Einerseits ein positives Zeichen andererseits würde man sich als Netzwerke wahrscheinlich eher eine Content bezogene Nutzung wünschen. Werfen wir einen Blick auf die aktuellen Zahlen, dann zeigen diese uns ein gemischtes Bilde der Lage.
Der aktuelle Trendence TrendReport „Online Recruiting“ zeigt übersichtliche die Entwicklung der wahrgenommenen Nutzung der Social Networks im Business Kontext in Deutschland in den verschiedenen Zielgruppen (Studierende, Berufserfahrene Akademiker, nicht akademische Fachkräfte). Hier könnt ihr zügig ablesen, dass LinkedIn und Xing sich nach wie vor die vordersten Plätze der Rankings teilen. Ein klares Abheben von LinkedIn ist noch nicht ersichtlich. Xing zeigt zwar einen leichten Abwärtstrend, doch gewinnt das Netzwerk an Bedeutung beispielsweise bei den nicht akademischen Fachkräften.
Betrachten wir die Wirtschaftsstudierenden, so baute XING seit 2017 von 67,3% fast kontinuierlich ab bis es heute 2020 bei 52,9% landete. Von 2019 auf 2020 gab es in dieser Zielgruppe eine ganz kleiner Steigerung. Ob dies eine Trendwende war, wird sich in 2021 zeigen. Im selben Zeitraum baute LinkedIn in dieser Zielgruppe auf. Der Aufwärtstrend wurde kurz von 2017 auf 2018 unterbrochen, um dann fortgeführt zu werden. Dennoch reichte es in 2020 mit 51,8% nicht, um Xing vom Thron zu stoßen.
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Wie sich das nun in 2021 entwickeln wird, bleibt abzuwarten. LinkedIn hat aber ganz offensichtlich 2020 den Schritt in Richtung MainStream Features genommen und integriert früher als man erwartet hätte, neue Funktionen aus den Freizeit orientierten Netzwerken. Allerdings werden auch eigene Entwicklungen hinzugefügt, was in Summe einen sehr smarten Eindruck macht. Ein viel diskutiertes Feature ist beispielsweise die Story Funktion, die sich mittlerweile in sehr vielen Sozialen Netzwerken befindet. Darauf werde ich etwas weiter unten nochmals eingehen.

LinkedIn Live

Wie alle anderen Netzwerke auch, hat sich LinkedIn dem Live Feature genähert. Nachdem vor vielen Jahren (2011) Periscope und YouNow die ersten Broadcasting Networks waren und den Stein ins Rollen gebracht haben, finden wir die Funktion fast überall im Netz. Daher kann man dies von zwei Seiten betrachten. Wahnsinn, dass LinkedIn nun auch hier einsteigt ... oder ... krass, dass die das erst jetzt raffen. Aber ganz so einfach ist es nicht. Wer das Feature nutzen möchte, muss sich bewerben und dann benötigt man derzeit noch ein Broadcasting Tool. Hier wird sich etwas vorsichtiger an das Thema heran getastet - letztlich muss ich aber sagen „Daumen hoch“ für diesen Schritt. Aus Sicht der Arbeitgeber eine wunderbare Möglichkeit sich auch hier zu positionieren und Community Building zu betreiben. Besonders interessant ist natürlich die Notification, die versendet wird, sobald Live Gestreamt wird - so wie wir es auch aus den Freizeit-Netzwerken kennen.

Name Pronunciation

Ein neues Feature, welches so einfach wie auch genial ist, ist die kleine Audio-Datei die ich seit neuestem meinem Profil anheften kann. Die Aufnahme kann bis zu 10 Sekunden lang sein und ist dazu gedacht, die korrekte Aussprache des eigenen Namens aufzunehmen. Ebenso kann aber auch eine Begrüßungsformel platziert werden oder andere Informationen, die in der Kürze untergebracht werden. Hier darf man noch auf viele kreative Ideen gespannt sein. Bereits das Netzwerk Vine hatte eindrucksvoll gezeigt, wie kreativ Menschen werden können, wenn die Ausdruckszeit auf 6 Sekunden begrenzt wird. Aus Sicht der Rekrutierung profitieren natürlich die Recruiter_innen von dieser Funktion, die es verstehen, ihr eigenes Profil anziehend zu gestalten. Hierzu ein paar Zahlen, Daten, Fakten, die einen ggf. dazu beflügeln, das eigene Profil professionell aufzustellen. Aus der Weihnachtsbefragung des Trendence HR Monitors geht klar hervor: Top Vorsatz für das Jahr 2021 ist ein Jobwechsel, dicht gefolgt von der persönlichen Weiterbildung. 2020 wird das Jahr der latent bis aktiv Suchenden. Heißt sie mit einer kleinen Audio Datei auf eurem Profil willkommen.

LinkedIn Reactions

An den Reactions, die eingeführt worden sind, sieht man, dass LinkedIn zwar einiges aus der Private Social Network Szene übernehmen möchte, dies aber nicht blind tut. Die Auswahl an Reactions ist dem Business Kontext angepasst. Damit lassen sich deutlich schneller mehr Informationen transportieren, als mit dem bisherigen Like. Ein Feature, welches natürlich vor allem den Arbeitgeberseiten zu pass kommt. Nicht nur das die Audience nun schneller und einfacher mit Content interagieren kann, als Arbeitgeber kann ich auch mit dem Einbinden der neuen Reactions spielen. Ich kann beispielsweise in meinen Posts auf verschiedene Reaktionen Bezug nehmen, um eine Art Poll auszulösen.

LinkedIn Stories

Die Erfindung der Story Funktion durch Snapchat kommt beinahe der Erfindung des Newsfeeds gleich. Kaum ein Netzwerke kommt noch ohne aus. Der Launch bei LinkedIn wurde aber eher skeptisch betrachtet, da diese Funktion wohl als Sinnbild der Freizeit gilt. Tatsächlich muss ich aus meiner eigenen Wahrnehmung und meinem Netzwerk sagen, dass man das Feature definitiv noch nicht als etabliert ansehen kann. Meine persönliche Meinung ist: Super Move! Objektiv betrachtet, war LinkedIn Deutschland aber eventuell noch nicht so weit.

LinkedIn Polls

Die Möglichkeit Puls-Befragungen im eigenen Netzwerk umzusetzen, ist ein mächtiges Tool. Damit kann ich nicht nur das Wissen meines Netzwerkes anzapfen, sondern erzeuge nochmal eine neue Art der Interaktion. Gerade, wenn ich mit den Ergebnissen als Recruiter auch weiterarbeiten kann oder diese als Arbeitgeber dann in meine Kommunikation einbaue, wird es für mein Netzwerk besonders interessant. Vor allem kann mein Netzwerk von der Poll, die ja einsehbar ist, ebenfalls profitieren.

LinkedIn „Carousel“

Dabei handelt es sich um kein neues Feature sondern vielmehr um eine Abwandlung der bekannten LinkedIn Post Features von Nutzern. Damit passt es nicht ganz in diese Reihe, soll aber dennoch von mir erwähnt werden, da ich es als sehr pfiffig erachtet habe. Die Idee: ich gestalte beispielsweise ein Word Dokument so, dass ich jede Seite als eine Art Bild oder Nachricht gestalte. Die darauffolgenden Seiten sollten bzw. könnten inhaltlich aufeinander aufbauen. Hier wäre beispielsweise eine andere Form der Stellenanzeige sinnvoll, die sich über mehrere Word Seiten erstreckt. Wenn ich nun die Ad Document Funktion bei meinem Post nutze, dann werden die einzelnen Seiten des Word Dokuments als Karussell dargestellt. Einfach mal eine andere Art der Postgestaltung, die Aufmerksamkeit erregt.

LinkedIn VideoMeeting

Unfassbar schlau zeigt sich LinkedIn in dieser genialen Integration von Teams, die man im Chat seit neuestem findet. Um hier vermutlich nicht unter rechtlichen Beschuss zu geraten, werden neben Teams auch noch Zoom und weitere Dienste angeboten. Sinn und Zweck ist es, direkt im LinkedIn Chat noch einen VideoCall aufsetzen zu können. Der kann instant erfolgen oder für später gescheduled sein. In der Usability ist dieses Feature ganz weit vorn, vor allem wenn ich an die Direktansprache denke.

Unfassbar aber wahr: es gab noch weitere Neuerungen, wie beispielsweise im nächsten Zielgruppengerecht Podcast mit Jan Hawliczek und mir erwähnt. Dort hält euch vor allem der Jan stets auf dem neuesten Stand, wenn es rund um das Thema LinkedIn geht. Daher lohnt sich das reinhören.

Tatsächlich ist mein Fazit zum heutigen Post:

Als Recruiter_in muss ich die Fähigkeit besitzen, einmal einen Schritt zurück zu gehen, um beispielsweise die Social Network Landschaft nicht nur mit meinen eigenen Augen zu betrachten. LinkedIn hat ein Brett geliefert - ob es aber auch in den Zielgruppen jetzt schon wie eine Bombe einschlägt, werden die Zahlen im Mai zeigen (dann gibt es zu dem Thema wieder frischen Daten Input).