Recruiter Christian hat soeben Ihre Bewerbung entgegen genommen - was wir von Pizzabäckern lernen können
Die nächste Meldung könnte lauten: "Recruiter Christian hat ihren Lebenslauf sowie ihre Anlagen gelesen." Und es könnte noch weiter gehen: "Fachbereich Regina prüft jetzt Ihre Unterlagen für die Stelle 22456 in ihrem Team." Utopisch und völlig unnütz meinen Sie? Vielleicht schon bald Realität, meine ich.
Vor wenigen Tagen war ich mal wieder zu Besuch in den USA. Wenn ich eines in den letzten 3 Jahren bei meinen Reisen gelernt habe, dann mit offenen Recruiter Augen im Ausland unterwegs zu sein. Der Input, den man manchmal nur ganz beiläufig zugespielt bekommt, kann Gold wert sein. Diesmal war es eine ganz simple online Bestellung bei Dominos, die mir die ATS ( Bewerbermanagementsysteme) Zukunft vor Augen führte. Dominos ist eine Pizza-Bude in den Staaten. Das ist gar nicht despektierlich gemeint, denn ich war überrascht, wie weit ihr online Bestellungstool entwickelt ist - und man muss sich mal vor Augen führen, dass es sich hierbei "nur" um Pizza dreht. Trotzdem - die Oberfläche zur Auswahl meiner individualisierten Pizza faszinierte mich. Meine Zusammenstellung wurde stets direkt visualisiert, so dass ich mir ansehen konnte, was mich erwarten würde. Der Knaller kam dann aber erst in Form eines Statusbalken (siehe Abbildungen) der mir aufzeigte, wo sich meine soeben kreierte Pizza befand. Und als sei das nicht schon genial, setze Dominos noch einen drauf und ließ mich wissen, wer der/ die Verantwortliche in den Pizza-Prozesschritten war und was er/ sie getan hatte bzw. gerade macht. Transparenz hoch drei. "Hey Joseph, vielen Dank für die Lieferung der Pizza. Sag bitte Ryan, dass ich nachher eine Bewertung zu seiner Pizza schreibe". Zur Vollendung dieses Prozesses durfte ich dann personenbezogenes Feddback zu den beiden Herren geben.
Ein ähnliches System war mir auch schon in Deutschland bekannt, aber es löste im ersten Moment nicht diesen Recruiting/ Candidate Experience Gedanken aus. Zumindest nicht bei mir. Denn die App MyTaxi macht im Grunde ebenfalls alles transparent. Ich kann live sehen, wo sich mein potentielles Taxi befindet. Darüber hinaus sehe ich, wer der Fahrr ist und kann Ihn im Nachgang bewerten.
Theoretisch ist das vermutlich heute bereits mit den meisten ATS möglich. Alle Informationen sind vorhanden. Wo die Bewerbung sich im System befindet, ist ersichtlich. Wer gerade eingeloggt ist und sie bearbeitet, sollte auch bekannt sein. Die Übermittlung der Daten in Echtzeit an den Bewerber ist wohlmöglich ein Knackpunkt. Aber wenn Dominos das hinbekommt, warum nicht auch IBM, SAP & Co. Zuletzt müssten noch die Unternehmen mitspielen und entsprechende Strukturen haben. Denn machen wir uns nichts vor, viel zu oft hat man sein ATS an die merkwürdigsten Prozesse angepasst, die von einem Bewerber in der Regel ohne spezifisches Unternehmens Know-How nicht nachvollzogen werden können. Daher denkt sich vermutlich der eine oder andere Recruiter: gut dass es noch nicht so weit gediegen ist mit dem Thema Transparenz.
Im Dominos Fall muss ich hinzufügen, dass diese Funktionalität ganz ohne Push Mitteilungen auskam. Wenn ich wissen will, wo meine Pizza ist, gucke ich nach und bekomme alle notwendigen Informationen auf einen Blick. Ich werde nicht mit Mails bombardiert. Sie glauben gar nicht, wie verbunden ich mich mit diesem doch relativ kurzen und nicht besonders hoch dotierten Einkaufsprozess fühlte. Vor meinem geistigen Auge lief der Prozess ab. Ich sah Ryan förmlich dabei zu, wie er kunstvoll den Teig formte und belegte. Dann klingelte es an der Tür und nicht irgendwer brachte mir die Pizza - nein es war Joseph, der die Pizza eigenhändig von Ryan übernommen hatte.
Machen wir den Recruitingprozess tatsächlich zum Erlebnis, so können wir ihn viel stärker dazu nutzen, bereits vorab unsere Kultur als Arbeitgeber und Unternehmen zu positionieren. Die berühmten Einblicke, die wir bereits in der Phase zuvor (HR Marketing) gegeben haben, brechen nicht im Bewerbungsprozess ab, sondern bleiben erhalten und tragen den Bewerber durch den Prozess. Wir nähern uns immer stärker dem Vertriebsprozess.
Es mag eine der berühmten Schnapsideen sein, die zudem in zweierlei Hinsicht kaum vorstellbar ist. Auf der einen Seite die Schneckentempo artige Entwicklungsgeschwindigkeit heutiger Bewerbermanagementsysteme und auf der anderen Seite Unternehmen mit haarsträubend komplexen Recruitingprozessen. Aber dennoch halte ich es für einen sehr gut vorstellbaren nächsten Entwicklungsschritt im Bereich technische Unterstützung bezüglich der Recruiting Software.
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