Candidate Experience! Reine Hygiene oder doch differenzierend?
Kaum hat er seinen Blog neu aufgestellt, schreibt er nicht mehr. Das werden Sie vielleicht in den vergangenen Wochen gedacht haben. Mit meinem Wechsel wurde es dann etwas ruhiger und nach den SRD 2015 schlug die Funkstille ein. Muss der Junge nun auf einmal doch arbeiten? Wer weiß, was Sie sonst noch so gedacht haben, aber ich will das Geheimnis lüften. In den vergangenen Wochen konnte ich mein zweites Buch finalisieren. Gemeinsam mit Maite Ullah haben wir uns des Themas Candidate Experience angenommen. Nun gähnen Sie vermutlich direkt erneut - was für ein alter Hut. 2015 beschäftigt sich damit scheinbar jeder Hanz und Franz. Ja, aber wir haben das natürlich ganz anders gemacht. Typische Floskel, um sich vom Markt abzuheben. Aber was haben wir getan, was uns so von den bisherigen Bemühungen unterscheidet: wir haben die Zielgruppe befragt. Nun gut - das allein mag uns nicht differenzieren, aber wir haben die Zielgruppe qualitativ, d.h. in Interviews befragt, um deutlich tiefer in das Thema Candidate Expeience einzutauchen. Natürlich waren das sehr viele subjektive Eindrücke, die uns da entgegenschwappten, und auch die Anzahl der Interviews (10) war sehr gering. Aber eines kann ich Ihnen versichern: in die Geschichten der Individuen nicht nur einzutauchen sondern sich die Zeit zu nehmen, deren Emotionen nachzuvollziehen, hat mir eine völlig neue Perspektive eröffnet, mit der ich auch so manche Studie anders betrachten kann.
Zielgruppe ungefiltert, etwas mit dem viele scheinbar heute gar nicht mehr umgehen können. In 10 Interviews konnten wir Schicksale nachempfinden und echte Insights in einem Bereich erlangen, den wir viel zu oft lediglich in Zahlen ausdrücken wollen. Dabei gehen die emotionalen Bereiche verloren, die sich häufig in kulturellen Dingen wiederspiegeln und interessanter Weise von den Interviewten meist als wichtiger eingestuft wurden als die Hygienefaktoren der Candidate Experience. Schlanke Online Bewerbungsprozesse, Mobile Fähigkeit der Karriereseite und intuitive Navigation nützen nichts, wenn die Kultur transportierenden Faktoren und die Begegnung auf Augenhöhe nicht stimmen. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch: ein Freund der Zahlen bleibe ich dennoch. Diese zwei Seiten der Candidate Experience haben mich allerdings dafür sensibilisiert, auch bei diesem Thema auf Differenzierung zu gehen.
Wir haben es den Candidate Experience Split genannt, der sich da vor unseren Augen auftat. Wie gesagt: Auf der einen Seite die Hygienefaktoren und auf der anderen Seite Kultur transportierenden Faktoren. Ähnlich wie bei der bekannten Arbeitgeberpositionierung konnte man feststellen, dass Hygienefaktoren eher als selbstverständlich wahrgenommen wurden. Sich also darüber im Kontext Candidate Experience zu positionieren - nach dem Motto: jetzt machen wir mal was ganz verrücktes und heben uns mit einem ordentlichen Bewerbungsformular vom Markt ab - wird nur mäßig funktionieren. Das Zauberwort heißt “Kultur”.
Es war doch erstaunlich, welche Punkte von den interviewten Bewerbern als selbstverständlich erachtet wurden und welche Punkte tatsächlich den Unterschied machten. Dabei geht es mir gar nicht darum, dies im Zusammenhang mit der meist zurückhaltenden Art der Personalmanager wertend zu betrachten. Es ist vielmehr eine Beobachtung, die sich wie ein roter Faden durch 10 Interviews zog. Immer wieder wurden Hygienefaktoren erwähnt - tatsächlich bemängelt wurden allerdings viel häufiger Faktoren, die wir als Kultur-transportierend bezeichnet haben.
- wie haben sich die Personaler verhalten
- welche Einblicke ins Unternehmen hatte ich während des Bewerbungsprozesses
- wie gestaltete sich die Onboarding-Phase
- usw.
Vielen Kandidaten war einfach ausgedrückt die Behandlung auf Augenhöhe und die Kultureinblicke wichtiger als schlanke Recruitingprozesse. Ohne die Hygienefaktoren gehts nicht, aber man darf sich auch nicht auf ihnen ausruhen.
Wer sich also vom Markt als Arbeitgeber differenzieren will, kann dies sehr wohl im Kontext Candidate Experience tun, aber tendenziell weniger über Dinge wie ein schlankes Online Bewerbungsverfahren. Viel wichtiger wären die Inhalte des Bewerbungsverfahrens.
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